Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

in großen Gestalten heilig kühner Gedanken. Und so
sind viele Bewegungen im Geist gar verschieden, als
könne die Poesie die Seelen rühren wie Saiten die er¬
brausen im Feuer, -- und wieder still und schüchtern
aufblühen, wie Keime die sich umsehen im Lebenslicht,
neu geboren, nicht begreifend dies Leben aber zum Leben
vereint. Wenn ich Dir dies sagen könnt was mich
ohnmächtig macht, daß ich schüchtern werd und mich
wehre gegen den Eindruck, als müsse ich ihm mein Ohr
versagen, und ihm doch heimlich lausche weils mich hin¬
reißt, und weiß nicht obs der Klang ist, oder der Inhalt,
und wie beide wechselnd mich bewältigen und wie ich --
ja ich will dirs sagen: -- Ein göttlich persönlicher Geist
dringt auf mich ein den ich lieben will, lieben muß im
Gedicht daß ich herzzerrissen bin von großer Wehmuth.
-- Nein mehr! -- Tiefer gehts: -- daß ich ausbrechen
muß in ein schmerzlich Ach. -- Und wenn ichs nicht
fühlte, dies Geistige, Persönliche in der Dichtung -- über
mir schwebend, wie beglückt über seinen Triumph, ich
glaub ich müßte wie wahnsinnig ihm nachirren -- auf¬
suchen und nicht finden -- und wiederkommen und mich
besinnen und vergehen dran; und das ist der Goethe,
der so wie Blitze in mich schleudert und wieder heilend
mich anblickt als thuen ihm meine Schmerzen leid, und

in großen Geſtalten heilig kühner Gedanken. Und ſo
ſind viele Bewegungen im Geiſt gar verſchieden, als
könne die Poeſie die Seelen rühren wie Saiten die er¬
brauſen im Feuer, — und wieder ſtill und ſchüchtern
aufblühen, wie Keime die ſich umſehen im Lebenslicht,
neu geboren, nicht begreifend dies Leben aber zum Leben
vereint. Wenn ich Dir dies ſagen könnt was mich
ohnmächtig macht, daß ich ſchüchtern werd und mich
wehre gegen den Eindruck, als müſſe ich ihm mein Ohr
verſagen, und ihm doch heimlich lauſche weils mich hin¬
reißt, und weiß nicht obs der Klang iſt, oder der Inhalt,
und wie beide wechſelnd mich bewältigen und wie ich —
ja ich will dirs ſagen: — Ein göttlich perſönlicher Geiſt
dringt auf mich ein den ich lieben will, lieben muß im
Gedicht daß ich herzzerriſſen bin von großer Wehmuth.
— Nein mehr! — Tiefer gehts: — daß ich ausbrechen
muß in ein ſchmerzlich Ach. — Und wenn ichs nicht
fühlte, dies Geiſtige, Perſönliche in der Dichtung — über
mir ſchwebend, wie beglückt über ſeinen Triumph, ich
glaub ich müßte wie wahnſinnig ihm nachirren — auf¬
ſuchen und nicht finden — und wiederkommen und mich
beſinnen und vergehen dran; und das iſt der Goethe,
der ſo wie Blitze in mich ſchleudert und wieder heilend
mich anblickt als thuen ihm meine Schmerzen leid, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0194" n="180"/>
in großen Ge&#x017F;talten heilig kühner Gedanken. Und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ind viele Bewegungen im Gei&#x017F;t gar ver&#x017F;chieden, als<lb/>
könne die Poe&#x017F;ie die Seelen rühren wie Saiten die er¬<lb/>
brau&#x017F;en im Feuer, &#x2014; und wieder &#x017F;till und &#x017F;chüchtern<lb/>
aufblühen, wie Keime die &#x017F;ich um&#x017F;ehen im Lebenslicht,<lb/>
neu geboren, nicht begreifend dies Leben aber zum Leben<lb/>
vereint. Wenn ich Dir dies &#x017F;agen könnt was mich<lb/>
ohnmächtig macht, daß ich &#x017F;chüchtern werd und mich<lb/>
wehre gegen den Eindruck, als mü&#x017F;&#x017F;e ich ihm mein Ohr<lb/>
ver&#x017F;agen, und ihm doch heimlich lau&#x017F;che weils mich hin¬<lb/>
reißt, und weiß nicht obs der Klang i&#x017F;t, oder der Inhalt,<lb/>
und wie beide wech&#x017F;elnd mich bewältigen und wie ich &#x2014;<lb/>
ja ich will dirs &#x017F;agen: &#x2014; Ein göttlich per&#x017F;önlicher Gei&#x017F;t<lb/>
dringt auf mich ein den ich lieben will, lieben muß im<lb/>
Gedicht daß ich herzzerri&#x017F;&#x017F;en bin von großer Wehmuth.<lb/>
&#x2014; Nein mehr! &#x2014; Tiefer gehts: &#x2014; daß ich ausbrechen<lb/>
muß in ein &#x017F;chmerzlich Ach. &#x2014; Und wenn ichs nicht<lb/>
fühlte, dies Gei&#x017F;tige, Per&#x017F;önliche in der Dichtung &#x2014; über<lb/>
mir &#x017F;chwebend, wie beglückt über &#x017F;einen Triumph, ich<lb/>
glaub ich müßte wie wahn&#x017F;innig ihm nachirren &#x2014; auf¬<lb/>
&#x017F;uchen und nicht finden &#x2014; und wiederkommen und mich<lb/>
be&#x017F;innen und vergehen dran; und das i&#x017F;t der Goethe,<lb/>
der &#x017F;o wie Blitze in mich &#x017F;chleudert und wieder heilend<lb/>
mich anblickt als thuen ihm meine Schmerzen leid, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0194] in großen Geſtalten heilig kühner Gedanken. Und ſo ſind viele Bewegungen im Geiſt gar verſchieden, als könne die Poeſie die Seelen rühren wie Saiten die er¬ brauſen im Feuer, — und wieder ſtill und ſchüchtern aufblühen, wie Keime die ſich umſehen im Lebenslicht, neu geboren, nicht begreifend dies Leben aber zum Leben vereint. Wenn ich Dir dies ſagen könnt was mich ohnmächtig macht, daß ich ſchüchtern werd und mich wehre gegen den Eindruck, als müſſe ich ihm mein Ohr verſagen, und ihm doch heimlich lauſche weils mich hin¬ reißt, und weiß nicht obs der Klang iſt, oder der Inhalt, und wie beide wechſelnd mich bewältigen und wie ich — ja ich will dirs ſagen: — Ein göttlich perſönlicher Geiſt dringt auf mich ein den ich lieben will, lieben muß im Gedicht daß ich herzzerriſſen bin von großer Wehmuth. — Nein mehr! — Tiefer gehts: — daß ich ausbrechen muß in ein ſchmerzlich Ach. — Und wenn ichs nicht fühlte, dies Geiſtige, Perſönliche in der Dichtung — über mir ſchwebend, wie beglückt über ſeinen Triumph, ich glaub ich müßte wie wahnſinnig ihm nachirren — auf¬ ſuchen und nicht finden — und wiederkommen und mich beſinnen und vergehen dran; und das iſt der Goethe, der ſo wie Blitze in mich ſchleudert und wieder heilend mich anblickt als thuen ihm meine Schmerzen leid, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/194
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/194>, abgerufen am 25.11.2024.