Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Weißt Du noch jenen Abend, im Frühjahrsan¬
fang wo der Arnim auf dem Trages seine Gedichte uns
vorlas? -- da hab ich mich auf dem Thurm in dem
laulichen keimetreibenden Wetter wieder dran erinnert,
und der Rhythmus der wie gesagt noch aus jener Vor¬
lesung mich verfolgt, schien mir dies alles was hier
auf dem Papier so ganz dürr aussieht, in großer Fülle
auszusprechen; ich wollt es Dir auch nicht schreiben,
aber wo soll ich hin mit? -- Meine Briefe an Dich
sind wie das Bett der Quelle, alles muß durchströmen
was in mir ist.

Meine Bemühungen Lieder fürs Wunderhorn auf¬
zufinden haben mich mit wunderlichen Leuten zusammen
geführt, die wie angenehme Schäferspiele mich ergötzen. --
Ich brauch Überredungskünste, um ein Bauermädchen da¬
hin zu bringen, ihre Lieder herzusingen. Da kommen sie
meistens zuerst mit verkruzten Opernarien, ich hab noch we¬
nig Körnlein aus dieser Spreu gesammelt, die sie aus Man¬
gel an Unschuld, im Überfluß an Unwissenheit ersticken und
vermodern lassen, und die man endlich doch nur Stück¬
weise ans Tagslicht bringen kann; -- ich thus dem Cle¬
mens und Arnim zu Gefallen.

Letzt war mir ein allerliebst Mädchen vom Pfar¬

7*

Weißt Du noch jenen Abend, im Frühjahrsan¬
fang wo der Arnim auf dem Trages ſeine Gedichte uns
vorlas? — da hab ich mich auf dem Thurm in dem
laulichen keimetreibenden Wetter wieder dran erinnert,
und der Rhythmus der wie geſagt noch aus jener Vor¬
leſung mich verfolgt, ſchien mir dies alles was hier
auf dem Papier ſo ganz dürr ausſieht, in großer Fülle
auszuſprechen; ich wollt es Dir auch nicht ſchreiben,
aber wo ſoll ich hin mit? — Meine Briefe an Dich
ſind wie das Bett der Quelle, alles muß durchſtrömen
was in mir iſt.

Meine Bemühungen Lieder fürs Wunderhorn auf¬
zufinden haben mich mit wunderlichen Leuten zuſammen
geführt, die wie angenehme Schäferſpiele mich ergötzen. —
Ich brauch Überredungskünſte, um ein Bauermädchen da¬
hin zu bringen, ihre Lieder herzuſingen. Da kommen ſie
meiſtens zuerſt mit verkruzten Opernarien, ich hab noch we¬
nig Körnlein aus dieſer Spreu geſammelt, die ſie aus Man¬
gel an Unſchuld, im Überfluß an Unwiſſenheit erſticken und
vermodern laſſen, und die man endlich doch nur Stück¬
weiſe ans Tagslicht bringen kann; — ich thus dem Cle¬
mens und Arnim zu Gefallen.

Letzt war mir ein allerliebſt Mädchen vom Pfar¬

7*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0161" n="147"/>
          <p>Weißt Du noch jenen Abend, im Frühjahrsan¬<lb/>
fang wo der Arnim auf dem Trages &#x017F;eine Gedichte uns<lb/>
vorlas? &#x2014; da hab ich mich auf dem Thurm in dem<lb/>
laulichen keimetreibenden Wetter wieder dran erinnert,<lb/>
und der Rhythmus der wie ge&#x017F;agt noch aus jener Vor¬<lb/>
le&#x017F;ung mich verfolgt, &#x017F;chien mir dies alles was hier<lb/>
auf dem Papier &#x017F;o ganz dürr aus&#x017F;ieht, in großer Fülle<lb/>
auszu&#x017F;prechen; ich wollt es Dir auch nicht &#x017F;chreiben,<lb/>
aber wo &#x017F;oll ich hin mit? &#x2014; Meine Briefe an Dich<lb/>
&#x017F;ind wie das Bett der Quelle, alles muß durch&#x017F;trömen<lb/>
was in mir i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Meine Bemühungen Lieder fürs Wunderhorn auf¬<lb/>
zufinden haben mich mit wunderlichen Leuten zu&#x017F;ammen<lb/>
geführt, die wie angenehme Schäfer&#x017F;piele mich ergötzen. &#x2014;<lb/>
Ich brauch Überredungskün&#x017F;te, um ein Bauermädchen da¬<lb/>
hin zu bringen, ihre Lieder herzu&#x017F;ingen. Da kommen &#x017F;ie<lb/>
mei&#x017F;tens zuer&#x017F;t mit verkruzten Opernarien, ich hab noch we¬<lb/>
nig Körnlein aus die&#x017F;er Spreu ge&#x017F;ammelt, die &#x017F;ie aus Man¬<lb/>
gel an Un&#x017F;chuld, im Überfluß an Unwi&#x017F;&#x017F;enheit er&#x017F;ticken und<lb/>
vermodern la&#x017F;&#x017F;en, und die man endlich doch nur Stück¬<lb/>
wei&#x017F;e ans Tagslicht bringen kann; &#x2014; ich thus dem Cle¬<lb/>
mens und Arnim zu Gefallen.</p><lb/>
          <p>Letzt war mir ein allerlieb&#x017F;t Mädchen vom Pfar¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0161] Weißt Du noch jenen Abend, im Frühjahrsan¬ fang wo der Arnim auf dem Trages ſeine Gedichte uns vorlas? — da hab ich mich auf dem Thurm in dem laulichen keimetreibenden Wetter wieder dran erinnert, und der Rhythmus der wie geſagt noch aus jener Vor¬ leſung mich verfolgt, ſchien mir dies alles was hier auf dem Papier ſo ganz dürr ausſieht, in großer Fülle auszuſprechen; ich wollt es Dir auch nicht ſchreiben, aber wo ſoll ich hin mit? — Meine Briefe an Dich ſind wie das Bett der Quelle, alles muß durchſtrömen was in mir iſt. Meine Bemühungen Lieder fürs Wunderhorn auf¬ zufinden haben mich mit wunderlichen Leuten zuſammen geführt, die wie angenehme Schäferſpiele mich ergötzen. — Ich brauch Überredungskünſte, um ein Bauermädchen da¬ hin zu bringen, ihre Lieder herzuſingen. Da kommen ſie meiſtens zuerſt mit verkruzten Opernarien, ich hab noch we¬ nig Körnlein aus dieſer Spreu geſammelt, die ſie aus Man¬ gel an Unſchuld, im Überfluß an Unwiſſenheit erſticken und vermodern laſſen, und die man endlich doch nur Stück¬ weiſe ans Tagslicht bringen kann; — ich thus dem Cle¬ mens und Arnim zu Gefallen. Letzt war mir ein allerliebſt Mädchen vom Pfar¬ 7*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/161
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/161>, abgerufen am 22.11.2024.