Was hast Du denn für einen Brief an Voigt ge¬ schrieben von einem polnischen Juden.
An die Günderode.
Das Wetter hat sich geändert, der grüne Bergra¬ sen lacht das bischen Schnee aus, was Winter sein will, ich bin den ganzen Tag nicht zu Haus. Die Sonn und der Mond gehn Abends zusammen am Himmel spazieren ich war gestern früher oben um zu sehen wo sie bleiben, ich guckte in die Luft die so weich weht und in die veränderte Landschaft, weil über Nacht der Schnee weggeschmolzen war, und konnt mich auf nichts mehr besinnen in der schmeicheligen Natur, so gehts gewiß den schneeentlasteten Tannen auch, und den Wiesen; und die gelben Weiden und die Birken taumeln in dem lauen Wehen wähnend und schwankend, als könnt der Frühling wohl einmal den Winter überhüpfen; sie sind im Winterschlaf vom Frühlingstraum geneckt, ich auch, -- ob nicht alle Seligkeit hier Traum von Später ist? sie ist so kurz so zufällig. -- Frühling ist Seligkeit, weils Begeistrung ist von der Zukunft, Seligkeit ist Be¬
Was haſt Du denn für einen Brief an Voigt ge¬ ſchrieben von einem polniſchen Juden.
An die Günderode.
Das Wetter hat ſich geändert, der grüne Bergra¬ ſen lacht das bischen Schnee aus, was Winter ſein will, ich bin den ganzen Tag nicht zu Haus. Die Sonn und der Mond gehn Abends zuſammen am Himmel ſpazieren ich war geſtern früher oben um zu ſehen wo ſie bleiben, ich guckte in die Luft die ſo weich weht und in die veränderte Landſchaft, weil über Nacht der Schnee weggeſchmolzen war, und konnt mich auf nichts mehr beſinnen in der ſchmeicheligen Natur, ſo gehts gewiß den ſchneeentlaſteten Tannen auch, und den Wieſen; und die gelben Weiden und die Birken taumeln in dem lauen Wehen wähnend und ſchwankend, als könnt der Frühling wohl einmal den Winter überhüpfen; ſie ſind im Winterſchlaf vom Frühlingstraum geneckt, ich auch, — ob nicht alle Seligkeit hier Traum von Später iſt? ſie iſt ſo kurz ſo zufällig. — Frühling iſt Seligkeit, weils Begeiſtrung iſt von der Zukunft, Seligkeit iſt Be¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0152"n="138"/><p>Was haſt Du denn für einen Brief an Voigt ge¬<lb/>ſchrieben von einem polniſchen Juden.</p><lb/></div><divn="2"><head>An die Günderode.<lb/></head><p>Das Wetter hat ſich geändert, der grüne Bergra¬<lb/>ſen lacht das bischen Schnee aus, was Winter ſein will,<lb/>
ich bin den ganzen Tag nicht zu Haus. Die Sonn<lb/>
und der Mond gehn Abends zuſammen am Himmel<lb/>ſpazieren ich war geſtern früher oben um zu ſehen wo<lb/>ſie bleiben, ich guckte in die Luft die ſo weich weht und<lb/>
in die veränderte Landſchaft, weil über Nacht der Schnee<lb/>
weggeſchmolzen war, und konnt mich auf nichts mehr<lb/>
beſinnen in der ſchmeicheligen Natur, ſo gehts gewiß<lb/>
den ſchneeentlaſteten Tannen auch, und den Wieſen;<lb/>
und die gelben Weiden und die Birken taumeln in dem<lb/>
lauen Wehen wähnend und ſchwankend, als könnt der<lb/>
Frühling wohl einmal den Winter überhüpfen; ſie ſind<lb/>
im Winterſchlaf vom Frühlingstraum geneckt, ich auch,<lb/>— ob nicht alle Seligkeit hier Traum von Später iſt?<lb/>ſie iſt ſo kurz ſo zufällig. — Frühling iſt Seligkeit,<lb/>
weils Begeiſtrung iſt von der Zukunft, Seligkeit iſt Be¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[138/0152]
Was haſt Du denn für einen Brief an Voigt ge¬
ſchrieben von einem polniſchen Juden.
An die Günderode.
Das Wetter hat ſich geändert, der grüne Bergra¬
ſen lacht das bischen Schnee aus, was Winter ſein will,
ich bin den ganzen Tag nicht zu Haus. Die Sonn
und der Mond gehn Abends zuſammen am Himmel
ſpazieren ich war geſtern früher oben um zu ſehen wo
ſie bleiben, ich guckte in die Luft die ſo weich weht und
in die veränderte Landſchaft, weil über Nacht der Schnee
weggeſchmolzen war, und konnt mich auf nichts mehr
beſinnen in der ſchmeicheligen Natur, ſo gehts gewiß
den ſchneeentlaſteten Tannen auch, und den Wieſen;
und die gelben Weiden und die Birken taumeln in dem
lauen Wehen wähnend und ſchwankend, als könnt der
Frühling wohl einmal den Winter überhüpfen; ſie ſind
im Winterſchlaf vom Frühlingstraum geneckt, ich auch,
— ob nicht alle Seligkeit hier Traum von Später iſt?
ſie iſt ſo kurz ſo zufällig. — Frühling iſt Seligkeit,
weils Begeiſtrung iſt von der Zukunft, Seligkeit iſt Be¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/152>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.