Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

die Gewalt kommt alles an, sie wirft alle Kritik zu Bo¬
den und thut das ihre. Was liegt dann dran ob es
so gebaut sei wie es die angenommne Kunstverfassung
nicht verletze? -- Gewalt schafft höhere Gesetze die kei¬
ner vielleicht früher ahnte oder auszusprechen vermochte;
höhere Gesetze stoßen allemal die alten um, und -- wir
sind doch noch nicht am End! -- Wenn doch der
Spielplatz wo sich die Kräfte jetzt nach hergebrach¬
ten Grundsätzen üben, freigegeben wäre um der Na¬
tur leichter zu machen ihre Gesetze zu wandlen. Ich
will nicht daß Du auf meine Produkte in der Poesie
anwendest was ich hier sage; ich habe mich auch zusam¬
mengenommen und gehorchen lernen; und es war gut,
denn es sammelte meinen Stoff in meinem Geist, der
mir vielleicht als Inhalt nicht genügt haben würde,
wenn mir die Form die ich der Anmuth zu verweben
strebte, nicht den Werth dazu geliehen hätte; ich glaube
daß nichts wesentlicher in der Poesie sei, als daß ihr
Keim aus dem Inneren entspringe; ein Funke aus der
Natur des Geistes sich erzeugend ist Begeistrung, sei
es aus welchem tiefen Grund der Gefühle es wolle,
sei er auch noch so gering scheinend. Das Wichtige an
der Poesie ist, was an der Rede es auch ist, nemlich die
wahrhaftige unmittelbare Empfindung die wirklich in

die Gewalt kommt alles an, ſie wirft alle Kritik zu Bo¬
den und thut das ihre. Was liegt dann dran ob es
ſo gebaut ſei wie es die angenommne Kunſtverfaſſung
nicht verletze? — Gewalt ſchafft höhere Geſetze die kei¬
ner vielleicht früher ahnte oder auszuſprechen vermochte;
höhere Geſetze ſtoßen allemal die alten um, und — wir
ſind doch noch nicht am End! — Wenn doch der
Spielplatz wo ſich die Kräfte jetzt nach hergebrach¬
ten Grundſätzen üben, freigegeben wäre um der Na¬
tur leichter zu machen ihre Geſetze zu wandlen. Ich
will nicht daß Du auf meine Produkte in der Poeſie
anwendeſt was ich hier ſage; ich habe mich auch zuſam¬
mengenommen und gehorchen lernen; und es war gut,
denn es ſammelte meinen Stoff in meinem Geiſt, der
mir vielleicht als Inhalt nicht genügt haben würde,
wenn mir die Form die ich der Anmuth zu verweben
ſtrebte, nicht den Werth dazu geliehen hätte; ich glaube
daß nichts weſentlicher in der Poeſie ſei, als daß ihr
Keim aus dem Inneren entſpringe; ein Funke aus der
Natur des Geiſtes ſich erzeugend iſt Begeiſtrung, ſei
es aus welchem tiefen Grund der Gefühle es wolle,
ſei er auch noch ſo gering ſcheinend. Das Wichtige an
der Poeſie iſt, was an der Rede es auch iſt, nemlich die
wahrhaftige unmittelbare Empfindung die wirklich in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="134"/>
die Gewalt kommt alles an, &#x017F;ie wirft alle Kritik zu Bo¬<lb/>
den und thut das ihre. Was liegt <hi rendition="#g">dann</hi> dran ob es<lb/>
&#x017F;o gebaut &#x017F;ei wie es die angenommne Kun&#x017F;tverfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
nicht verletze? &#x2014; Gewalt &#x017F;chafft höhere Ge&#x017F;etze die kei¬<lb/>
ner vielleicht früher ahnte oder auszu&#x017F;prechen vermochte;<lb/>
höhere Ge&#x017F;etze &#x017F;toßen allemal die alten um, und &#x2014; wir<lb/>
&#x017F;ind doch noch nicht am End! &#x2014; Wenn doch der<lb/>
Spielplatz wo &#x017F;ich die Kräfte jetzt nach hergebrach¬<lb/>
ten Grund&#x017F;ätzen üben, freigegeben wäre um der Na¬<lb/>
tur leichter zu machen ihre Ge&#x017F;etze zu wandlen. Ich<lb/>
will nicht daß Du auf meine Produkte in der Poe&#x017F;ie<lb/>
anwende&#x017F;t was ich hier &#x017F;age; ich habe mich auch zu&#x017F;am¬<lb/>
mengenommen und gehorchen lernen; und es war gut,<lb/>
denn es &#x017F;ammelte meinen Stoff in meinem Gei&#x017F;t, der<lb/>
mir vielleicht als Inhalt nicht genügt haben würde,<lb/>
wenn mir die Form die ich der Anmuth zu verweben<lb/>
&#x017F;trebte, nicht den Werth dazu geliehen hätte; ich glaube<lb/>
daß nichts we&#x017F;entlicher in der Poe&#x017F;ie &#x017F;ei, als daß ihr<lb/>
Keim aus dem Inneren ent&#x017F;pringe; ein Funke aus der<lb/>
Natur des Gei&#x017F;tes &#x017F;ich erzeugend i&#x017F;t Begei&#x017F;trung, &#x017F;ei<lb/>
es aus welchem tiefen Grund der Gefühle es wolle,<lb/>
&#x017F;ei er auch noch &#x017F;o gering &#x017F;cheinend. Das Wichtige an<lb/>
der Poe&#x017F;ie i&#x017F;t, was an der Rede es auch i&#x017F;t, nemlich die<lb/>
wahrhaftige unmittelbare Empfindung die wirklich in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0148] die Gewalt kommt alles an, ſie wirft alle Kritik zu Bo¬ den und thut das ihre. Was liegt dann dran ob es ſo gebaut ſei wie es die angenommne Kunſtverfaſſung nicht verletze? — Gewalt ſchafft höhere Geſetze die kei¬ ner vielleicht früher ahnte oder auszuſprechen vermochte; höhere Geſetze ſtoßen allemal die alten um, und — wir ſind doch noch nicht am End! — Wenn doch der Spielplatz wo ſich die Kräfte jetzt nach hergebrach¬ ten Grundſätzen üben, freigegeben wäre um der Na¬ tur leichter zu machen ihre Geſetze zu wandlen. Ich will nicht daß Du auf meine Produkte in der Poeſie anwendeſt was ich hier ſage; ich habe mich auch zuſam¬ mengenommen und gehorchen lernen; und es war gut, denn es ſammelte meinen Stoff in meinem Geiſt, der mir vielleicht als Inhalt nicht genügt haben würde, wenn mir die Form die ich der Anmuth zu verweben ſtrebte, nicht den Werth dazu geliehen hätte; ich glaube daß nichts weſentlicher in der Poeſie ſei, als daß ihr Keim aus dem Inneren entſpringe; ein Funke aus der Natur des Geiſtes ſich erzeugend iſt Begeiſtrung, ſei es aus welchem tiefen Grund der Gefühle es wolle, ſei er auch noch ſo gering ſcheinend. Das Wichtige an der Poeſie iſt, was an der Rede es auch iſt, nemlich die wahrhaftige unmittelbare Empfindung die wirklich in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/148
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/148>, abgerufen am 22.11.2024.