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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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denn wenn auch Deine Argumente, womit Du das
Philisterthum bestürmst, keinen Bodensatz haben und
unläugbar aus der Luft gegriffen sind, so ist mir
doch lieber zu lesen wie Du unmittelbar mit den Ele
menten verkehrst, als wenn Du Deinen Sinn im Wi¬
derspruch auf irgend ein gegebenes Bestehendes anwen¬
dest. Deine Wahrheiten streifen wohl den inneren Sinn
der Menschen; sie möchten Dir Recht geben, aber was
ists damit? -- bis einmal das Morgenlicht der Poesie
in jeder Brust den Geist weckt, da wird wohl manches
verstanden und doch muß es wieder versinken; drum ist
es mir lieber Du selbst erschaffst Dich, bist Dir Lehrer
und Schüler zugleich, weil es da was fruchtet und
Deine Lehren einen so gründlichen tiefen Eingang in
Dich haben. -- Hast Du Dich doch gegen die Philoso¬
phie gesperrt, und Deine Natur spricht sie doch so ganz
persönlich aus, als Geist und Seele und Leib. Ich will
damit Dich nicht auf Dich selbst zurückführen, es ist
eine Bemerkung die ich im Spiegel mache, und Du
kannst ja gleich davon fliegen und den Spiegel leer las¬
sen, auch giebt meine Bemerkung Dir Recht; denn wenn
Deine organische Natur ganz Philosophie ist, so wird
sie sich nicht in der Anschauung erst erwerben sollen. --
Sie wird einen Jugendleib haben der mit einem anderen

denn wenn auch Deine Argumente, womit Du das
Philiſterthum beſtürmſt, keinen Bodenſatz haben und
unläugbar aus der Luft gegriffen ſind, ſo iſt mir
doch lieber zu leſen wie Du unmittelbar mit den Ele
menten verkehrſt, als wenn Du Deinen Sinn im Wi¬
derſpruch auf irgend ein gegebenes Beſtehendes anwen¬
deſt. Deine Wahrheiten ſtreifen wohl den inneren Sinn
der Menſchen; ſie möchten Dir Recht geben, aber was
iſts damit? — bis einmal das Morgenlicht der Poeſie
in jeder Bruſt den Geiſt weckt, da wird wohl manches
verſtanden und doch muß es wieder verſinken; drum iſt
es mir lieber Du ſelbſt erſchaffſt Dich, biſt Dir Lehrer
und Schüler zugleich, weil es da was fruchtet und
Deine Lehren einen ſo gründlichen tiefen Eingang in
Dich haben. — Haſt Du Dich doch gegen die Philoſo¬
phie geſperrt, und Deine Natur ſpricht ſie doch ſo ganz
perſönlich aus, als Geiſt und Seele und Leib. Ich will
damit Dich nicht auf Dich ſelbſt zurückführen, es iſt
eine Bemerkung die ich im Spiegel mache, und Du
kannſt ja gleich davon fliegen und den Spiegel leer laſ¬
ſen, auch giebt meine Bemerkung Dir Recht; denn wenn
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Sie wird einen Jugendleib haben der mit einem anderen

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[130/0144] denn wenn auch Deine Argumente, womit Du das Philiſterthum beſtürmſt, keinen Bodenſatz haben und unläugbar aus der Luft gegriffen ſind, ſo iſt mir doch lieber zu leſen wie Du unmittelbar mit den Ele menten verkehrſt, als wenn Du Deinen Sinn im Wi¬ derſpruch auf irgend ein gegebenes Beſtehendes anwen¬ deſt. Deine Wahrheiten ſtreifen wohl den inneren Sinn der Menſchen; ſie möchten Dir Recht geben, aber was iſts damit? — bis einmal das Morgenlicht der Poeſie in jeder Bruſt den Geiſt weckt, da wird wohl manches verſtanden und doch muß es wieder verſinken; drum iſt es mir lieber Du ſelbſt erſchaffſt Dich, biſt Dir Lehrer und Schüler zugleich, weil es da was fruchtet und Deine Lehren einen ſo gründlichen tiefen Eingang in Dich haben. — Haſt Du Dich doch gegen die Philoſo¬ phie geſperrt, und Deine Natur ſpricht ſie doch ſo ganz perſönlich aus, als Geiſt und Seele und Leib. Ich will damit Dich nicht auf Dich ſelbſt zurückführen, es iſt eine Bemerkung die ich im Spiegel mache, und Du kannſt ja gleich davon fliegen und den Spiegel leer laſ¬ ſen, auch giebt meine Bemerkung Dir Recht; denn wenn Deine organiſche Natur ganz Philoſophie iſt, ſo wird ſie ſich nicht in der Anſchauung erſt erwerben ſollen. — Sie wird einen Jugendleib haben der mit einem anderen

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/144>, abgerufen am 23.11.2024.