wandelt sich nicht mehr erkennen. Die Menschen schla¬ fen ohne Ahnung vom Erwachen, aber unter seinem brausenden Huf reißen sie plötzlich die Augen auf und seine Glorie blendet sie, daß sie sich selber nicht begrei¬ fen, ihr dumpfer Schlaf geht in Taumel über, sie um¬ jauchzen ihn im Gefühl ihrer Trunkenheit.
In mir ists wunderlich. Vor Menschen versink ich in mir selbst, vor denen fühl ich mich nicht, nur wenn ich durch den ersten Schlaf in der Nacht abgetrennt von allem wieder erwache, dann stellen sich große un¬ geheure Fragen vor meine Gedanken, es sind Fragen in mein Gewissen vor dem ich verstummen muß.-- Tu¬ genden[!] -- Was sind die? -- Denk ich doch an die letzte Zeit mit den Emigranten bei der Großmama, es ging alles durch einander, es war als ob das Unglück vor der Thür geschehen sei mit dem Tod des Enghiens, was für bittere Thränen vergoß der alte Choiseul mit dem Ducailas und dem Maupertuis, wie rangen sie die Hände und riefen zu Gott um diesen jammervollen Tod, meinst Du das habe mir nicht einen tieferen Ein¬ druck gemacht als alles glorreiche Durchbrausen der Welt? -- meinst Du ich könne je dem Unrecht - er¬ liegenden mich lossagen und auch nur in Gedanken übergehen zu dem Unrecht das vor der Welt Recht be¬
wandelt ſich nicht mehr erkennen. Die Menſchen ſchla¬ fen ohne Ahnung vom Erwachen, aber unter ſeinem brauſenden Huf reißen ſie plötzlich die Augen auf und ſeine Glorie blendet ſie, daß ſie ſich ſelber nicht begrei¬ fen, ihr dumpfer Schlaf geht in Taumel über, ſie um¬ jauchzen ihn im Gefühl ihrer Trunkenheit.
In mir iſts wunderlich. Vor Menſchen verſink ich in mir ſelbſt, vor denen fühl ich mich nicht, nur wenn ich durch den erſten Schlaf in der Nacht abgetrennt von allem wieder erwache, dann ſtellen ſich große un¬ geheure Fragen vor meine Gedanken, es ſind Fragen in mein Gewiſſen vor dem ich verſtummen muß.— Tu¬ genden[!] — Was ſind die? — Denk ich doch an die letzte Zeit mit den Emigranten bei der Großmama, es ging alles durch einander, es war als ob das Unglück vor der Thür geſchehen ſei mit dem Tod des Enghiens, was für bittere Thränen vergoß der alte Choiſeul mit dem Ducailas und dem Maupertuis, wie rangen ſie die Hände und riefen zu Gott um dieſen jammervollen Tod, meinſt Du das habe mir nicht einen tieferen Ein¬ druck gemacht als alles glorreiche Durchbrauſen der Welt? — meinſt Du ich könne je dem Unrecht – er¬ liegenden mich losſagen und auch nur in Gedanken übergehen zu dem Unrecht das vor der Welt Recht be¬
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wandelt ſich nicht mehr erkennen. Die Menſchen ſchla¬
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brauſenden Huf reißen ſie plötzlich die Augen auf und
ſeine Glorie blendet ſie, daß ſie ſich ſelber nicht begrei¬
fen, ihr dumpfer Schlaf geht in Taumel über, ſie um¬
jauchzen ihn im Gefühl ihrer Trunkenheit.
In mir iſts wunderlich. Vor Menſchen verſink ich
in mir ſelbſt, vor denen fühl ich mich nicht, nur wenn
ich durch den erſten Schlaf in der Nacht abgetrennt
von allem wieder erwache, dann ſtellen ſich große un¬
geheure Fragen vor meine Gedanken, es ſind Fragen in
mein Gewiſſen vor dem ich verſtummen muß.— Tu¬
genden! — Was ſind die? — Denk ich doch an die
letzte Zeit mit den Emigranten bei der Großmama, es
ging alles durch einander, es war als ob das Unglück
vor der Thür geſchehen ſei mit dem Tod des Enghiens,
was für bittere Thränen vergoß der alte Choiſeul mit
dem Ducailas und dem Maupertuis, wie rangen ſie
die Hände und riefen zu Gott um dieſen jammervollen
Tod, meinſt Du das habe mir nicht einen tieferen Ein¬
druck gemacht als alles glorreiche Durchbrauſen der
Welt? — meinſt Du ich könne je dem Unrecht – er¬
liegenden mich losſagen und auch nur in Gedanken
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/132>, abgerufen am 24.11.2024.
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