Belebung durch es empfinden, einen Kuß wenn Du's erlaubst, einen flüchtigen -- dem ich eine Weile noch nachfühle, der in mir sich verwirklicht, verewigt.
Wissen und Wissendsein ist zweierlei, erstes ist eine Selbstständigkeit gewinnen in der Kenntniß, eine Per¬ sönlichkeit werden durch sie. Ein Mathematiker, ein Geschichtsforscher, ein Gesetzlehrer, -- gehört alles in die versteinert Welt ist Philisterthum in einem gewissen tie¬ feren Sinn. Wissendsein ist Gedeihendsein im gesunden Boden des Geistes, wo der Geist zum Blühen kommt. Da brauchts kein Behalten, da brauchts keine Absonde¬ rung der Phantasie von der Wirklichkeit, die Begierde des Wissens selbst scheint mir da nur wie der Kuß der Seele mit dem Geist; zärtliches Berühren mit der Wahrheit, ener¬ gisch belebt werden davon, wie Liebende von der Geliebten, von der Natur. -- Die Natur ist die Geliebte der Sinne, die Geistesnatur muß die Geliebte des Geistes sein; durch fortwährendes Leben mit ihr, durch ihr Genießen geht der Geist in sie über, oder sie in ihn, aber er führt kein Register über alles, er buchstabirt sichs nicht und rechnets nicht zusammen. Nun was liegt mir dran? -- so lang mirs so geht wie hier, kann ich nicht klagen, ich schwindel wie ein Bienchen herum, und wo ich ein off¬ nes Kelchelchen sind da schwipp ich hinein, und versuch
Belebung durch es empfinden, einen Kuß wenn Du's erlaubſt, einen flüchtigen — dem ich eine Weile noch nachfühle, der in mir ſich verwirklicht, verewigt.
Wiſſen und Wiſſendſein iſt zweierlei, erſtes iſt eine Selbſtſtändigkeit gewinnen in der Kenntniß, eine Per¬ ſönlichkeit werden durch ſie. Ein Mathematiker, ein Geſchichtsforſcher, ein Geſetzlehrer, — gehört alles in die verſteinert Welt iſt Philiſterthum in einem gewiſſen tie¬ feren Sinn. Wiſſendſein iſt Gedeihendſein im geſunden Boden des Geiſtes, wo der Geiſt zum Blühen kommt. Da brauchts kein Behalten, da brauchts keine Abſonde¬ rung der Phantaſie von der Wirklichkeit, die Begierde des Wiſſens ſelbſt ſcheint mir da nur wie der Kuß der Seele mit dem Geiſt; zärtliches Berühren mit der Wahrheit, ener¬ giſch belebt werden davon, wie Liebende von der Geliebten, von der Natur. — Die Natur iſt die Geliebte der Sinne, die Geiſtesnatur muß die Geliebte des Geiſtes ſein; durch fortwährendes Leben mit ihr, durch ihr Genießen geht der Geiſt in ſie über, oder ſie in ihn, aber er führt kein Regiſter über alles, er buchſtabirt ſichs nicht und rechnets nicht zuſammen. Nun was liegt mir dran? — ſo lang mirs ſo geht wie hier, kann ich nicht klagen, ich ſchwindel wie ein Bienchen herum, und wo ich ein off¬ nes Kelchelchen ſind da ſchwipp ich hinein, und verſuch
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Belebung durch es empfinden, einen Kuß wenn Du's
erlaubſt, einen flüchtigen — dem ich eine Weile noch
nachfühle, der in mir ſich verwirklicht, verewigt.
Wiſſen und Wiſſendſein iſt zweierlei, erſtes iſt eine
Selbſtſtändigkeit gewinnen in der Kenntniß, eine Per¬
ſönlichkeit werden durch ſie. Ein Mathematiker, ein
Geſchichtsforſcher, ein Geſetzlehrer, — gehört alles in die
verſteinert Welt iſt Philiſterthum in einem gewiſſen tie¬
feren Sinn. Wiſſendſein iſt Gedeihendſein im geſunden
Boden des Geiſtes, wo der Geiſt zum Blühen kommt.
Da brauchts kein Behalten, da brauchts keine Abſonde¬
rung der Phantaſie von der Wirklichkeit, die Begierde des
Wiſſens ſelbſt ſcheint mir da nur wie der Kuß der Seele
mit dem Geiſt; zärtliches Berühren mit der Wahrheit, ener¬
giſch belebt werden davon, wie Liebende von der Geliebten,
von der Natur. — Die Natur iſt die Geliebte der Sinne,
die Geiſtesnatur muß die Geliebte des Geiſtes ſein; durch
fortwährendes Leben mit ihr, durch ihr Genießen geht
der Geiſt in ſie über, oder ſie in ihn, aber er führt
kein Regiſter über alles, er buchſtabirt ſichs nicht und
rechnets nicht zuſammen. Nun was liegt mir dran? —
ſo lang mirs ſo geht wie hier, kann ich nicht klagen, ich
ſchwindel wie ein Bienchen herum, und wo ich ein off¬
nes Kelchelchen ſind da ſchwipp ich hinein, und verſuch
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/116>, abgerufen am 24.11.2024.
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