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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840.

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ja pünktlich aus, ich hab an die Großmama geschrie¬
ben, daß sie an Dich die Drusen-Weihe zurück¬
schicke, packe beiliegenden Brief an den Primas dazu
und schicke es an den Weihbischof ins Taxische Haus,
mache eine doppelte Adresse, die oberste an den Weih¬
bischof, der wirds ihm zurückgeben oder nachschicken
wenn er in Aschaffenburg ist, verschiebs nicht.

Bettine.

Ich hab unwillkührlich meinem Brief da mit Auf¬
trägen ein End gemacht und wollte Dir noch so viel
anders sagen über Moose und über Pflanzen die ich
im Wald gefunden hab, reine architektonische Figuren.
Sind Worte nicht einzelne architektonische Theile? sind
sie nicht symmetrisch zu ordnen im Gedanken?-- Ein
Wort ist immer schön an sich, aber Gedanken sind nicht
schön wenn die schönen Worte nicht in einer heiligen
Ordnung ihn aussprechen; es giebt aber eine gewisse
romantische Unordnung, oder vielmehr Zufallsordnung,
die so was lockendes, ja ganz hinreißendes hat in der
Natur; die einem so mit Lust und Lieb durchdringt,
daß sie allen Luxus und alle Erhabenheit weit über¬
wiegt in ihrer Verwandtschaft mit der Seele; so hab
ich mir immer gedacht, wenn in Feenmärchen über Nacht
ein prächtiger goldner Palast entstand gegenüber der

ja pünktlich aus, ich hab an die Großmama geſchrie¬
ben, daß ſie an Dich die Druſen-Weihe zurück¬
ſchicke, packe beiliegenden Brief an den Primas dazu
und ſchicke es an den Weihbiſchof ins Taxiſche Haus,
mache eine doppelte Adreſſe, die oberſte an den Weih¬
biſchof, der wirds ihm zurückgeben oder nachſchicken
wenn er in Aſchaffenburg iſt, verſchiebs nicht.

Bettine.

Ich hab unwillkührlich meinem Brief da mit Auf¬
trägen ein End gemacht und wollte Dir noch ſo viel
anders ſagen über Mooſe und über Pflanzen die ich
im Wald gefunden hab, reine architektoniſche Figuren.
Sind Worte nicht einzelne architektoniſche Theile? ſind
ſie nicht ſymmetriſch zu ordnen im Gedanken?— Ein
Wort iſt immer ſchön an ſich, aber Gedanken ſind nicht
ſchön wenn die ſchönen Worte nicht in einer heiligen
Ordnung ihn ausſprechen; es giebt aber eine gewiſſe
romantiſche Unordnung, oder vielmehr Zufallsordnung,
die ſo was lockendes, ja ganz hinreißendes hat in der
Natur; die einem ſo mit Luſt und Lieb durchdringt,
daß ſie allen Luxus und alle Erhabenheit weit über¬
wiegt in ihrer Verwandtſchaft mit der Seele; ſo hab
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[89/0103] ja pünktlich aus, ich hab an die Großmama geſchrie¬ ben, daß ſie an Dich die Druſen-Weihe zurück¬ ſchicke, packe beiliegenden Brief an den Primas dazu und ſchicke es an den Weihbiſchof ins Taxiſche Haus, mache eine doppelte Adreſſe, die oberſte an den Weih¬ biſchof, der wirds ihm zurückgeben oder nachſchicken wenn er in Aſchaffenburg iſt, verſchiebs nicht. Bettine. Ich hab unwillkührlich meinem Brief da mit Auf¬ trägen ein End gemacht und wollte Dir noch ſo viel anders ſagen über Mooſe und über Pflanzen die ich im Wald gefunden hab, reine architektoniſche Figuren. Sind Worte nicht einzelne architektoniſche Theile? ſind ſie nicht ſymmetriſch zu ordnen im Gedanken?— Ein Wort iſt immer ſchön an ſich, aber Gedanken ſind nicht ſchön wenn die ſchönen Worte nicht in einer heiligen Ordnung ihn ausſprechen; es giebt aber eine gewiſſe romantiſche Unordnung, oder vielmehr Zufallsordnung, die ſo was lockendes, ja ganz hinreißendes hat in der Natur; die einem ſo mit Luſt und Lieb durchdringt, daß ſie allen Luxus und alle Erhabenheit weit über¬ wiegt in ihrer Verwandtſchaft mit der Seele; ſo hab ich mir immer gedacht, wenn in Feenmärchen über Nacht ein prächtiger goldner Palaſt entſtand gegenüber der

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/103>, abgerufen am 24.11.2024.