von Labyrinthen, räthselhafte Mächte ihn ergreifen, die sein Aug berühren und sein Ohr daß er begreife was nur unschuldvoller, kühner, sich selbst regender Geist ah¬ nen und fassen kann. Ach könnt ich nur ins Tyrol rei¬ sen um meinen Geist frei zu machen auf der Gemsjagd, -- dann würd ich gewiß mir selbst genug sein und das Große zu dem mein Geist Anlag haben könnt, sollte nicht zu Grund gehen, es sollte recht nach allen Seiten hin, mächtig sich zeigen. --
Der Molitor hat mir einen Erziehungsplan ge¬ schickt von Herrn Engelmann, weil ich so gern mit ihm in die Musterschule ging muß er glauben, Erziehung interessire mich überhaupt; das war aber nur wegen der armen Judenkinder die dort mit den Christen zusam¬ men ihr kleines Fleckchen Antheil an menschlicher Be¬ handlung hatten, und wenn ich sagen soll, so schien mir dies eine allein Erziehung; nemlich: Kinder gleichen Al¬ ters gleicher Fähigkeiten früh dran zu gewöhnen daß sie auch gleiche menschliche Rechte haben, sie mögen Ju¬ den oder Christen sein; sei also so gut und mache den Molitor mit dem bekannt was ich hier über meine eigne Erziehung sage, daß ichs mit Klettern zu zwin¬ gen suche mich vor bösen Fallstricken zu bewahren die meinen Geist darnieder werfen um ihn nachher zu kne¬
von Labyrinthen, räthſelhafte Mächte ihn ergreifen, die ſein Aug berühren und ſein Ohr daß er begreife was nur unſchuldvoller, kühner, ſich ſelbſt regender Geiſt ah¬ nen und faſſen kann. Ach könnt ich nur ins Tyrol rei¬ ſen um meinen Geiſt frei zu machen auf der Gemsjagd, — dann würd ich gewiß mir ſelbſt genug ſein und das Große zu dem mein Geiſt Anlag haben könnt, ſollte nicht zu Grund gehen, es ſollte recht nach allen Seiten hin, mächtig ſich zeigen. —
Der Molitor hat mir einen Erziehungsplan ge¬ ſchickt von Herrn Engelmann, weil ich ſo gern mit ihm in die Muſterſchule ging muß er glauben, Erziehung intereſſire mich überhaupt; das war aber nur wegen der armen Judenkinder die dort mit den Chriſten zuſam¬ men ihr kleines Fleckchen Antheil an menſchlicher Be¬ handlung hatten, und wenn ich ſagen ſoll, ſo ſchien mir dies eine allein Erziehung; nemlich: Kinder gleichen Al¬ ters gleicher Fähigkeiten früh dran zu gewöhnen daß ſie auch gleiche menſchliche Rechte haben, ſie mögen Ju¬ den oder Chriſten ſein; ſei alſo ſo gut und mache den Molitor mit dem bekannt was ich hier über meine eigne Erziehung ſage, daß ichs mit Klettern zu zwin¬ gen ſuche mich vor böſen Fallſtricken zu bewahren die meinen Geiſt darnieder werfen um ihn nachher zu kne¬
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von Labyrinthen, räthſelhafte Mächte ihn ergreifen, die
ſein Aug berühren und ſein Ohr daß er begreife was
nur unſchuldvoller, kühner, ſich ſelbſt regender Geiſt ah¬
nen und faſſen kann. Ach könnt ich nur ins Tyrol rei¬
ſen um meinen Geiſt frei zu machen auf der Gemsjagd,
— dann würd ich gewiß mir ſelbſt genug ſein und das
Große zu dem mein Geiſt Anlag haben könnt, ſollte
nicht zu Grund gehen, es ſollte recht nach allen Seiten
hin, mächtig ſich zeigen. —
Der Molitor hat mir einen Erziehungsplan ge¬
ſchickt von Herrn Engelmann, weil ich ſo gern mit ihm
in die Muſterſchule ging muß er glauben, Erziehung
intereſſire mich überhaupt; das war aber nur wegen der
armen Judenkinder die dort mit den Chriſten zuſam¬
men ihr kleines Fleckchen Antheil an menſchlicher Be¬
handlung hatten, und wenn ich ſagen ſoll, ſo ſchien mir
dies eine allein Erziehung; nemlich: Kinder gleichen Al¬
ters gleicher Fähigkeiten früh dran zu gewöhnen daß
ſie auch gleiche menſchliche Rechte haben, ſie mögen Ju¬
den oder Chriſten ſein; ſei alſo ſo gut und mache den
Molitor mit dem bekannt was ich hier über meine
eigne Erziehung ſage, daß ichs mit Klettern zu zwin¬
gen ſuche mich vor böſen Fallſtricken zu bewahren die
meinen Geiſt darnieder werfen um ihn nachher zu kne¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/101>, abgerufen am 24.11.2024.
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