ihm gewiß bange sein Schicksal untergraben zu haben durch den zipfellosen Aufzug. Voigt ging noch eine Weile mit mir auf der Terrasse wo es so still war, man hörte die Violinen vom Ball; die Wolken überzogen prophezeihend (ein Gewitter nemlich) das Sternenheer, und senkten sich auf unsere Berge, die Bäume standen so ehrfurchtsvoll still den Gewittersegen erwartend; die ganze Gegend sah aus als ob sie sich zu ihrem Schö¬ pfer wende, Voigt vergaß darüber seine unzähligen Witze, mit denen er mich überschwemmt hatte, die ent¬ fernten Lichter und Feuer, die in den umliegenden Hüt¬ ten brennten, funkelten durch das Grün der Bäume, wie Opferfeuer zum Allliebenden, so weit man sehen konnte sah die Welt aus als ob sie unsern Herrgott um eine sanfte Nacht bitten wolle für Alle; für Dich und für mich, für unser ganz Leben, bis an die letzte Nacht. -- So ist die Natur süße Fürbitterin, immerdar; alle Seufzer wiegt sie ein, so wollen wir ihr denn dan¬ ken dafür und ihr vertrauen bis an die letzte Nacht.
Der Clemens mit seinen Warnungen? -- Ich hab ihm heut geschrieben. Die Linden blühen wohl noch und hauchen einem süß an, aber keine Menschen, und die Natur ist schöner und gütiger und größer als alle Weisheit dieser Welt. Was einer mit mir spricht dar¬
ihm gewiß bange ſein Schickſal untergraben zu haben durch den zipfelloſen Aufzug. Voigt ging noch eine Weile mit mir auf der Terraſſe wo es ſo ſtill war, man hörte die Violinen vom Ball; die Wolken überzogen prophezeihend (ein Gewitter nemlich) das Sternenheer, und ſenkten ſich auf unſere Berge, die Bäume ſtanden ſo ehrfurchtsvoll ſtill den Gewitterſegen erwartend; die ganze Gegend ſah aus als ob ſie ſich zu ihrem Schö¬ pfer wende, Voigt vergaß darüber ſeine unzähligen Witze, mit denen er mich überſchwemmt hatte, die ent¬ fernten Lichter und Feuer, die in den umliegenden Hüt¬ ten brennten, funkelten durch das Grün der Bäume, wie Opferfeuer zum Allliebenden, ſo weit man ſehen konnte ſah die Welt aus als ob ſie unſern Herrgott um eine ſanfte Nacht bitten wolle für Alle; für Dich und für mich, für unſer ganz Leben, bis an die letzte Nacht. — So iſt die Natur ſüße Fürbitterin, immerdar; alle Seufzer wiegt ſie ein, ſo wollen wir ihr denn dan¬ ken dafür und ihr vertrauen bis an die letzte Nacht.
Der Clemens mit ſeinen Warnungen? — Ich hab ihm heut geſchrieben. Die Linden blühen wohl noch und hauchen einem ſüß an, aber keine Menſchen, und die Natur iſt ſchöner und gütiger und größer als alle Weisheit dieſer Welt. Was einer mit mir ſpricht dar¬
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ihm gewiß bange ſein Schickſal untergraben zu haben
durch den zipfelloſen Aufzug. Voigt ging noch eine
Weile mit mir auf der Terraſſe wo es ſo ſtill war, man
hörte die Violinen vom Ball; die Wolken überzogen
prophezeihend (ein Gewitter nemlich) das Sternenheer,
und ſenkten ſich auf unſere Berge, die Bäume ſtanden
ſo ehrfurchtsvoll ſtill den Gewitterſegen erwartend; die
ganze Gegend ſah aus als ob ſie ſich zu ihrem Schö¬
pfer wende, Voigt vergaß darüber ſeine unzähligen
Witze, mit denen er mich überſchwemmt hatte, die ent¬
fernten Lichter und Feuer, die in den umliegenden Hüt¬
ten brennten, funkelten durch das Grün der Bäume,
wie Opferfeuer zum Allliebenden, ſo weit man ſehen
konnte ſah die Welt aus als ob ſie unſern Herrgott
um eine ſanfte Nacht bitten wolle für Alle; für Dich
und für mich, für unſer ganz Leben, bis an die letzte
Nacht. — So iſt die Natur ſüße Fürbitterin, immerdar;
alle Seufzer wiegt ſie ein, ſo wollen wir ihr denn dan¬
ken dafür und ihr vertrauen bis an die letzte Nacht.
Der Clemens mit ſeinen Warnungen? — Ich hab
ihm heut geſchrieben. Die Linden blühen wohl noch
und hauchen einem ſüß an, aber keine Menſchen, und
die Natur iſt ſchöner und gütiger und größer als alle
Weisheit dieſer Welt. Was einer mit mir ſpricht dar¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/99>, abgerufen am 27.11.2024.
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