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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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füllen und in tausenderlei Gestalten im Thal herum¬
tanzt und an den Felsen hinauf. -- Aber einen hinter
mir drein laufen zu haben das ist mir verdrießlich. --
Ich kann nicht dichten wie Du Günderode, aber ich
kann sprechen mit der Natur, wenn ich allein mit
ihr bin, aber es darf niemand hinter mir sein, denn
grad das Alleinsein macht, daß ich mit ihr bin. Auf der
grünen Burg im Graben, im Nachtthau, da war es
auch schön mit Dir, es sind mir meine liebste Stunden
von meinem ganzen Leben, und so wie ich zurückkomm,
so wollen wir noch acht Tage zusammen dort wohnen,
da stellen wir unsere Betten dicht neben einander und
plaudern die ganze Nacht zusammen, und dann geht
als der Wind und klappert in dem rappeligen Dach,
und dann kommen die Mäuschen und saufen uns das
Öl aus der Lampe und wir beiden Philosophen halten,
von diesen Zwischenscenen lieblich unterbrochen, große
tiefsinnige Speculationen, wovon die alte Welt in ih¬
ren eingerosteten Angeln kracht, wenn sie sich nicht gar
umdreht davon. -- Weißt Du was, Du bist der Pla¬
ton und Du bist dort auf die Burg verbannt, und ich
bin Dein liebster Freund und Schüler Dion, wir lieben
uns zärtlich und lassen das Leben für einander, wenns
gilt, und wenns doch nur wollt gelten, denn ich möcht

füllen und in tauſenderlei Geſtalten im Thal herum¬
tanzt und an den Felſen hinauf. — Aber einen hinter
mir drein laufen zu haben das iſt mir verdrießlich. —
Ich kann nicht dichten wie Du Günderode, aber ich
kann ſprechen mit der Natur, wenn ich allein mit
ihr bin, aber es darf niemand hinter mir ſein, denn
grad das Alleinſein macht, daß ich mit ihr bin. Auf der
grünen Burg im Graben, im Nachtthau, da war es
auch ſchön mit Dir, es ſind mir meine liebſte Stunden
von meinem ganzen Leben, und ſo wie ich zurückkomm,
ſo wollen wir noch acht Tage zuſammen dort wohnen,
da ſtellen wir unſere Betten dicht neben einander und
plaudern die ganze Nacht zuſammen, und dann geht
als der Wind und klappert in dem rappeligen Dach,
und dann kommen die Mäuschen und ſaufen uns das
Öl aus der Lampe und wir beiden Philoſophen halten,
von dieſen Zwiſchenſcenen lieblich unterbrochen, große
tiefſinnige Speculationen, wovon die alte Welt in ih¬
ren eingeroſteten Angeln kracht, wenn ſie ſich nicht gar
umdreht davon. — Weißt Du was, Du biſt der Pla¬
ton und Du biſt dort auf die Burg verbannt, und ich
bin Dein liebſter Freund und Schüler Dion, wir lieben
uns zärtlich und laſſen das Leben für einander, wenns
gilt, und wenns doch nur wollt gelten, denn ich möcht

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[56/0072] füllen und in tauſenderlei Geſtalten im Thal herum¬ tanzt und an den Felſen hinauf. — Aber einen hinter mir drein laufen zu haben das iſt mir verdrießlich. — Ich kann nicht dichten wie Du Günderode, aber ich kann ſprechen mit der Natur, wenn ich allein mit ihr bin, aber es darf niemand hinter mir ſein, denn grad das Alleinſein macht, daß ich mit ihr bin. Auf der grünen Burg im Graben, im Nachtthau, da war es auch ſchön mit Dir, es ſind mir meine liebſte Stunden von meinem ganzen Leben, und ſo wie ich zurückkomm, ſo wollen wir noch acht Tage zuſammen dort wohnen, da ſtellen wir unſere Betten dicht neben einander und plaudern die ganze Nacht zuſammen, und dann geht als der Wind und klappert in dem rappeligen Dach, und dann kommen die Mäuschen und ſaufen uns das Öl aus der Lampe und wir beiden Philoſophen halten, von dieſen Zwiſchenſcenen lieblich unterbrochen, große tiefſinnige Speculationen, wovon die alte Welt in ih¬ ren eingeroſteten Angeln kracht, wenn ſie ſich nicht gar umdreht davon. — Weißt Du was, Du biſt der Pla¬ ton und Du biſt dort auf die Burg verbannt, und ich bin Dein liebſter Freund und Schüler Dion, wir lieben uns zärtlich und laſſen das Leben für einander, wenns gilt, und wenns doch nur wollt gelten, denn ich möcht

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/72>, abgerufen am 24.11.2024.