In höh'rem Reiz Betrachtung dann versinket Wie Bienenlippen in der Blume Kelch.
Violetta.
Und traurig wird die Blume dann vergehen, Muß sie sich so von dir verlassen sehen!
Narziß.
O Nein! es hat die Sonne sie geküßt. Die Sonne sank, und Abendnebel thauen. Kann sie die Strahlende nicht mehr erschauen, Wird ihre Nacht durch Sternenschein versüßt. Sah sie den Tag nicht oft im Ost verglühen? Sah sie die Nacht nicht thränend still entfliehen? Und Tag und Nacht sind schöner doch als ich. Doch flieht ein Tag, ein Andrer kehret wieder; Stirbt eine Nacht, sinkt eine Neue nieder, Denn Tröstung gab Natur in jedem Schönen sich.
Violetta.
Was ist denn Liebe, hat sie kein Bestehen?
Narziß.
Die Liebe will nur wandlen, nicht vergehen; Betrachten will sie alles Treffliche. Hat sie dies Licht in einem Bild erkennet, Eilt sie zu Andern, wo es schöner brennet, Erjagen will sie das Vortreffliche?
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Narziß.
In höh'rem Reiz Betrachtung dann verſinket Wie Bienenlippen in der Blume Kelch.
Violetta.
Und traurig wird die Blume dann vergehen, Muß ſie ſich ſo von dir verlaſſen ſehen!
Narziß.
O Nein! es hat die Sonne ſie geküßt. Die Sonne ſank, und Abendnebel thauen. Kann ſie die Strahlende nicht mehr erſchauen, Wird ihre Nacht durch Sternenſchein verſüßt. Sah ſie den Tag nicht oft im Oſt verglühen? Sah ſie die Nacht nicht thränend ſtill entfliehen? Und Tag und Nacht ſind ſchöner doch als ich. Doch flieht ein Tag, ein Andrer kehret wieder; Stirbt eine Nacht, ſinkt eine Neue nieder, Denn Tröſtung gab Natur in jedem Schönen ſich.
Violetta.
Was iſt denn Liebe, hat ſie kein Beſtehen?
Narziß.
Die Liebe will nur wandlen, nicht vergehen; Betrachten will ſie alles Treffliche. Hat ſie dies Licht in einem Bild erkennet, Eilt ſie zu Andern, wo es ſchöner brennet, Erjagen will ſie das Vortreffliche?
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Narziß.
In höh'rem Reiz Betrachtung dann verſinket
Wie Bienenlippen in der Blume Kelch.
Violetta.
Und traurig wird die Blume dann vergehen,
Muß ſie ſich ſo von dir verlaſſen ſehen!
Narziß.
O Nein! es hat die Sonne ſie geküßt.
Die Sonne ſank, und Abendnebel thauen.
Kann ſie die Strahlende nicht mehr erſchauen,
Wird ihre Nacht durch Sternenſchein verſüßt.
Sah ſie den Tag nicht oft im Oſt verglühen?
Sah ſie die Nacht nicht thränend ſtill entfliehen?
Und Tag und Nacht ſind ſchöner doch als ich.
Doch flieht ein Tag, ein Andrer kehret wieder;
Stirbt eine Nacht, ſinkt eine Neue nieder,
Denn Tröſtung gab Natur in jedem Schönen ſich.
Violetta.
Was iſt denn Liebe, hat ſie kein Beſtehen?
Narziß.
Die Liebe will nur wandlen, nicht vergehen;
Betrachten will ſie alles Treffliche.
Hat ſie dies Licht in einem Bild erkennet,
Eilt ſie zu Andern, wo es ſchöner brennet,
Erjagen will ſie das Vortreffliche?
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/65>, abgerufen am 24.11.2024.
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