Der Sommer in der Stadt, -- es bedroht mich ganz dämonisch, den hellen Himmel zu versäumen. -- Meine Spaziergänge um das Eschenheimer Thor ertödten mich gänzlich. Auch die Engländer wollen Euch diese Woche noch besuchen, alles geht fort.
Schreib mir viel, auch über meine Sachen, ich schicke dann mehr. Daß ich als Narciß mich gegen Dich verschanze, besser wie im Gespräch, wo Du immer recht behältst, mußt Du Dir gefallen lassen, so mein ichs, und so hab ich Recht und Du hast Unrecht; und ich meine, Du könntest immer zufrieden sein damit, so empfunden zu sein durch Deine eigne frische Natur, daß Du meiner sicher bist. Wer im Ganzen etwas sein kann, der wird sich auch fühlbar zu machen wissen, und so wird der Wandel nirgend anders als bei der Treue heimkehren, denn sie ist die Heimath. Du bist ja auch heute nicht was Du gestern gewesen, und doch bist Du eine ewige Folge Deiner selbst. Mir scheint es noch außerdem höchst verkehrt durch selbstisches Be¬ stehen auf dem, was nur wie Sonnenschein vorüberge¬ hendes Geschenk der Götter ist, dem Geist die Freiheit zu verkümmern. Treue wächst in dem Geist auf der liebt, gedeiht sie zu einem starken Baum, so wird kein Eisen so scharf sein, ihn auszurotten, aber ehe die
Der Sommer in der Stadt, — es bedroht mich ganz dämoniſch, den hellen Himmel zu verſäumen. — Meine Spaziergänge um das Eſchenheimer Thor ertödten mich gänzlich. Auch die Engländer wollen Euch dieſe Woche noch beſuchen, alles geht fort.
Schreib mir viel, auch über meine Sachen, ich ſchicke dann mehr. Daß ich als Narciß mich gegen Dich verſchanze, beſſer wie im Geſpräch, wo Du immer recht behältſt, mußt Du Dir gefallen laſſen, ſo mein ichs, und ſo hab ich Recht und Du haſt Unrecht; und ich meine, Du könnteſt immer zufrieden ſein damit, ſo empfunden zu ſein durch Deine eigne friſche Natur, daß Du meiner ſicher biſt. Wer im Ganzen etwas ſein kann, der wird ſich auch fühlbar zu machen wiſſen, und ſo wird der Wandel nirgend anders als bei der Treue heimkehren, denn ſie iſt die Heimath. Du biſt ja auch heute nicht was Du geſtern geweſen, und doch biſt Du eine ewige Folge Deiner ſelbſt. Mir ſcheint es noch außerdem höchſt verkehrt durch ſelbſtiſches Be¬ ſtehen auf dem, was nur wie Sonnenſchein vorüberge¬ hendes Geſchenk der Götter iſt, dem Geiſt die Freiheit zu verkümmern. Treue wächſt in dem Geiſt auf der liebt, gedeiht ſie zu einem ſtarken Baum, ſo wird kein Eiſen ſo ſcharf ſein, ihn auszurotten, aber ehe die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0060"n="44"/><p>Der Sommer in der Stadt, — es bedroht mich ganz<lb/>
dämoniſch, den hellen Himmel zu verſäumen. — Meine<lb/>
Spaziergänge um das Eſchenheimer Thor ertödten mich<lb/>
gänzlich. Auch die Engländer wollen Euch dieſe Woche<lb/>
noch beſuchen, alles geht fort.</p><lb/><p>Schreib mir viel, auch über meine Sachen, ich<lb/>ſchicke dann mehr. Daß ich als Narciß mich gegen<lb/>
Dich verſchanze, beſſer wie im Geſpräch, wo Du immer<lb/>
recht behältſt, mußt Du Dir gefallen laſſen, ſo mein<lb/>
ichs, und ſo hab ich Recht und Du haſt Unrecht; und<lb/>
ich meine, Du könnteſt immer zufrieden ſein damit, ſo<lb/>
empfunden zu ſein durch Deine eigne friſche Natur,<lb/>
daß Du meiner ſicher biſt. Wer im Ganzen etwas<lb/>ſein kann, der wird ſich auch fühlbar zu machen wiſſen,<lb/>
und ſo wird der <hirendition="#g">Wandel</hi> nirgend anders als bei der<lb/><hirendition="#g">Treue</hi> heimkehren, denn ſie iſt die Heimath. Du biſt<lb/>
ja auch heute nicht was Du geſtern geweſen, und doch<lb/>
biſt Du eine ewige Folge Deiner ſelbſt. Mir ſcheint<lb/>
es noch außerdem höchſt verkehrt durch ſelbſtiſches Be¬<lb/>ſtehen auf dem, was nur wie Sonnenſchein vorüberge¬<lb/>
hendes Geſchenk der Götter iſt, dem Geiſt die Freiheit<lb/>
zu verkümmern. Treue wächſt in dem Geiſt auf der<lb/>
liebt, gedeiht ſie zu einem ſtarken Baum, ſo wird kein<lb/>
Eiſen ſo ſcharf ſein, ihn auszurotten, aber ehe die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[44/0060]
Der Sommer in der Stadt, — es bedroht mich ganz
dämoniſch, den hellen Himmel zu verſäumen. — Meine
Spaziergänge um das Eſchenheimer Thor ertödten mich
gänzlich. Auch die Engländer wollen Euch dieſe Woche
noch beſuchen, alles geht fort.
Schreib mir viel, auch über meine Sachen, ich
ſchicke dann mehr. Daß ich als Narciß mich gegen
Dich verſchanze, beſſer wie im Geſpräch, wo Du immer
recht behältſt, mußt Du Dir gefallen laſſen, ſo mein
ichs, und ſo hab ich Recht und Du haſt Unrecht; und
ich meine, Du könnteſt immer zufrieden ſein damit, ſo
empfunden zu ſein durch Deine eigne friſche Natur,
daß Du meiner ſicher biſt. Wer im Ganzen etwas
ſein kann, der wird ſich auch fühlbar zu machen wiſſen,
und ſo wird der Wandel nirgend anders als bei der
Treue heimkehren, denn ſie iſt die Heimath. Du biſt
ja auch heute nicht was Du geſtern geweſen, und doch
biſt Du eine ewige Folge Deiner ſelbſt. Mir ſcheint
es noch außerdem höchſt verkehrt durch ſelbſtiſches Be¬
ſtehen auf dem, was nur wie Sonnenſchein vorüberge¬
hendes Geſchenk der Götter iſt, dem Geiſt die Freiheit
zu verkümmern. Treue wächſt in dem Geiſt auf der
liebt, gedeiht ſie zu einem ſtarken Baum, ſo wird kein
Eiſen ſo ſcharf ſein, ihn auszurotten, aber ehe die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/60>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.