Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Laut will er seinen Schmerz ihr nennen,
Und seines Herzens heißes Brennen,
In heil'ger Gegenwart bekennen.
Laut spricht er: Priester! lasset schweigen
Für Todte die Gebete all.
Für mich laßt heiße Bitten steigen;
Denn größer ist der Liebe Qual,
Von der ich wen'ger kann genesen.
Als jene unglücksel'gen Wesen
Zur Qual des Feuers auserlesen.
Und staunend siehet ihn die Menge
So schön verklärt in Liebesmuth.
"Wo ist, im festlichen Gepränge?"
Denkt Manche still, "die solche Gluth
Und solches Wort jetzt hat gemeinet?"
Sie ist's, die heimlich Thränen weinet,
Die Juans heiße Liebe meinet.

War's Mitleid, ist es Lieb' gewesen,
Was diese Thränen ihr erpreßt?
Vom Gram kann Liebe nicht genesen,
Wenn Zweifelmuth sie nicht verläßt.
Er kann sich Friede nicht erjagen;
Denn nimmer darf's die Lippe wagen,
Der Liebe Schmerz ihr mehr zu klagen.
Laut will er ſeinen Schmerz ihr nennen,
Und ſeines Herzens heißes Brennen,
In heil'ger Gegenwart bekennen.
Laut ſpricht er: Prieſter! laſſet ſchweigen
Für Todte die Gebete all.
Für mich laßt heiße Bitten ſteigen;
Denn größer iſt der Liebe Qual,
Von der ich wen'ger kann geneſen.
Als jene unglückſel'gen Weſen
Zur Qual des Feuers auserleſen.
Und ſtaunend ſiehet ihn die Menge
So ſchön verklärt in Liebesmuth.
„Wo iſt, im feſtlichen Gepränge?“
Denkt Manche ſtill, „die ſolche Gluth
Und ſolches Wort jetzt hat gemeinet?“
Sie iſt's, die heimlich Thränen weinet,
Die Juans heiße Liebe meinet.

War's Mitleid, iſt es Lieb' geweſen,
Was dieſe Thränen ihr erpreßt?
Vom Gram kann Liebe nicht geneſen,
Wenn Zweifelmuth ſie nicht verläßt.
Er kann ſich Friede nicht erjagen;
Denn nimmer darf's die Lippe wagen,
Der Liebe Schmerz ihr mehr zu klagen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <lg type="poem">
                <pb facs="#f0452" n="436"/>
                <lg n="7">
                  <l>Laut will er &#x017F;einen Schmerz ihr nennen,</l><lb/>
                  <l>Und &#x017F;eines Herzens heißes Brennen,</l><lb/>
                  <l>In heil'ger Gegenwart bekennen.</l><lb/>
                </lg>
                <lg n="8">
                  <l>Laut &#x017F;pricht er: Prie&#x017F;ter! la&#x017F;&#x017F;et &#x017F;chweigen</l><lb/>
                  <l>Für Todte die Gebete all.</l><lb/>
                  <l>Für mich laßt heiße Bitten &#x017F;teigen;</l><lb/>
                  <l>Denn größer i&#x017F;t der Liebe Qual,</l><lb/>
                  <l>Von der ich wen'ger kann gene&#x017F;en.</l><lb/>
                  <l>Als jene unglück&#x017F;el'gen We&#x017F;en</l><lb/>
                  <l>Zur Qual des Feuers auserle&#x017F;en.</l><lb/>
                </lg>
                <lg n="9">
                  <l>Und &#x017F;taunend &#x017F;iehet ihn die Menge</l><lb/>
                  <l>So &#x017F;chön verklärt in Liebesmuth.</l><lb/>
                  <l>&#x201E;Wo i&#x017F;t, im fe&#x017F;tlichen Gepränge?&#x201C;</l><lb/>
                  <l>Denkt Manche &#x017F;till, &#x201E;die &#x017F;olche Gluth</l><lb/>
                  <l>Und &#x017F;olches Wort jetzt hat gemeinet?&#x201C;</l><lb/>
                  <l>Sie i&#x017F;t's, die heimlich Thränen weinet,</l><lb/>
                  <l>Die Juans heiße Liebe meinet.</l><lb/>
                </lg>
              </lg>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <lg type="poem">
                <lg n="1">
                  <l>War's Mitleid, i&#x017F;t es Lieb' gewe&#x017F;en,</l><lb/>
                  <l>Was die&#x017F;e Thränen ihr erpreßt?</l><lb/>
                  <l>Vom Gram kann Liebe nicht gene&#x017F;en,</l><lb/>
                  <l>Wenn Zweifelmuth &#x017F;ie nicht verläßt.</l><lb/>
                  <l>Er kann &#x017F;ich Friede nicht erjagen;</l><lb/>
                  <l>Denn nimmer darf's die Lippe wagen,</l><lb/>
                  <l>Der Liebe Schmerz ihr mehr zu klagen.</l><lb/>
                </lg>
              </lg>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[436/0452] Laut will er ſeinen Schmerz ihr nennen, Und ſeines Herzens heißes Brennen, In heil'ger Gegenwart bekennen. Laut ſpricht er: Prieſter! laſſet ſchweigen Für Todte die Gebete all. Für mich laßt heiße Bitten ſteigen; Denn größer iſt der Liebe Qual, Von der ich wen'ger kann geneſen. Als jene unglückſel'gen Weſen Zur Qual des Feuers auserleſen. Und ſtaunend ſiehet ihn die Menge So ſchön verklärt in Liebesmuth. „Wo iſt, im feſtlichen Gepränge?“ Denkt Manche ſtill, „die ſolche Gluth Und ſolches Wort jetzt hat gemeinet?“ Sie iſt's, die heimlich Thränen weinet, Die Juans heiße Liebe meinet. War's Mitleid, iſt es Lieb' geweſen, Was dieſe Thränen ihr erpreßt? Vom Gram kann Liebe nicht geneſen, Wenn Zweifelmuth ſie nicht verläßt. Er kann ſich Friede nicht erjagen; Denn nimmer darf's die Lippe wagen, Der Liebe Schmerz ihr mehr zu klagen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/452
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/452>, abgerufen am 22.11.2024.