den einmal gegebenen Geist wiederholen, sie setzen sich wie Vögel auf einen Ast des Sprachbaumes und wiegen sich auf dem, nach dem Urrhythmus der in seiner Wurzel liege, nicht aber fliege ein solcher auf als der Geistes¬ adler von dem lebendigen Geist der Sprache ausgebrütet.
Ich verstehe alles, obschon mir vieles fremd drinn ist was die Dichtkunst belangt, wovon ich keine klare oder auch gar keine Vorstellung habe, aber ich hab besser durch diese Anschauungen des Hölderlin den Geist gefaßt, als durch das wie mich St. Clair darüber belehrte. -- Dir muß dies alles heilig und wichtig sein. -- Ach einem solchen wie Hölderlin, der im labyrinthischen Suchen lei¬ denschaftlich hingerissen ist, dem müssen wir irgendwie begegnen, wenn auch wir das Göttliche verfolgen mit so reinem Heroismus wie er. -- Mir sind seine Sprüche wie Orakelsprüche, die er als der Priester des Gottes im Wahnsinn ausruft, und gewiß ist alles Weltleben ihm gegenüber wahnsinnig, denn es begreift ihn nicht. Und wie ist doch das Geisteswesen jener beschaffen die nicht wahnsinnig sich deuchten? -- ist es nicht Wahnsinn auch, aber an dem kein Gott Antheil hat? -- Wahnsinn, merk ich, nennt man das was keinen Widerhall hat im Geist der andern, aber in mir hat dies alles Wider¬ hall, und ich fühle in noch tieferen Tiefen des Geistes,
den einmal gegebenen Geiſt wiederholen, ſie ſetzen ſich wie Vögel auf einen Aſt des Sprachbaumes und wiegen ſich auf dem, nach dem Urrhythmus der in ſeiner Wurzel liege, nicht aber fliege ein ſolcher auf als der Geiſtes¬ adler von dem lebendigen Geiſt der Sprache ausgebrütet.
Ich verſtehe alles, obſchon mir vieles fremd drinn iſt was die Dichtkunſt belangt, wovon ich keine klare oder auch gar keine Vorſtellung habe, aber ich hab beſſer durch dieſe Anſchauungen des Hölderlin den Geiſt gefaßt, als durch das wie mich St. Clair darüber belehrte. — Dir muß dies alles heilig und wichtig ſein. — Ach einem ſolchen wie Hölderlin, der im labyrinthiſchen Suchen lei¬ denſchaftlich hingeriſſen iſt, dem müſſen wir irgendwie begegnen, wenn auch wir das Göttliche verfolgen mit ſo reinem Heroismus wie er. — Mir ſind ſeine Sprüche wie Orakelſprüche, die er als der Prieſter des Gottes im Wahnſinn ausruft, und gewiß iſt alles Weltleben ihm gegenüber wahnſinnig, denn es begreift ihn nicht. Und wie iſt doch das Geiſtesweſen jener beſchaffen die nicht wahnſinnig ſich deuchten? — iſt es nicht Wahnſinn auch, aber an dem kein Gott Antheil hat? — Wahnſinn, merk ich, nennt man das was keinen Widerhall hat im Geiſt der andern, aber in mir hat dies alles Wider¬ hall, und ich fühle in noch tieferen Tiefen des Geiſtes,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0439"n="423"/>
den einmal gegebenen Geiſt wiederholen, ſie ſetzen ſich<lb/>
wie Vögel auf einen Aſt des Sprachbaumes und wiegen<lb/>ſich auf dem, nach dem Urrhythmus der in ſeiner Wurzel<lb/>
liege, nicht aber fliege ein ſolcher auf als der Geiſtes¬<lb/>
adler von dem lebendigen Geiſt der Sprache ausgebrütet.</p><lb/><p>Ich verſtehe alles, obſchon mir vieles fremd drinn<lb/>
iſt was die Dichtkunſt belangt, wovon ich keine klare<lb/>
oder auch gar keine Vorſtellung habe, aber ich hab beſſer<lb/>
durch dieſe Anſchauungen des Hölderlin den Geiſt gefaßt,<lb/>
als durch das wie mich St. Clair darüber belehrte. —<lb/>
Dir muß dies alles heilig und wichtig ſein. — Ach einem<lb/>ſolchen wie Hölderlin, der im labyrinthiſchen Suchen lei¬<lb/>
denſchaftlich hingeriſſen iſt, dem müſſen wir irgendwie<lb/>
begegnen, wenn auch wir das <choice><sic>Götttliche</sic><corr>Göttliche</corr></choice> verfolgen mit<lb/>ſo reinem Heroismus wie er. — Mir ſind ſeine Sprüche<lb/>
wie Orakelſprüche, die er als der Prieſter des Gottes im<lb/>
Wahnſinn ausruft, und gewiß iſt alles Weltleben ihm<lb/>
gegenüber wahnſinnig, denn es begreift ihn nicht. Und<lb/>
wie iſt doch das Geiſtesweſen jener beſchaffen die nicht<lb/>
wahnſinnig ſich deuchten? — iſt es nicht Wahnſinn<lb/>
auch, aber an dem kein Gott Antheil hat? — Wahnſinn,<lb/>
merk ich, nennt man das was keinen Widerhall hat<lb/>
im Geiſt der andern, aber in mir hat dies alles Wider¬<lb/>
hall, und ich fühle in noch tieferen Tiefen des Geiſtes,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[423/0439]
den einmal gegebenen Geiſt wiederholen, ſie ſetzen ſich
wie Vögel auf einen Aſt des Sprachbaumes und wiegen
ſich auf dem, nach dem Urrhythmus der in ſeiner Wurzel
liege, nicht aber fliege ein ſolcher auf als der Geiſtes¬
adler von dem lebendigen Geiſt der Sprache ausgebrütet.
Ich verſtehe alles, obſchon mir vieles fremd drinn
iſt was die Dichtkunſt belangt, wovon ich keine klare
oder auch gar keine Vorſtellung habe, aber ich hab beſſer
durch dieſe Anſchauungen des Hölderlin den Geiſt gefaßt,
als durch das wie mich St. Clair darüber belehrte. —
Dir muß dies alles heilig und wichtig ſein. — Ach einem
ſolchen wie Hölderlin, der im labyrinthiſchen Suchen lei¬
denſchaftlich hingeriſſen iſt, dem müſſen wir irgendwie
begegnen, wenn auch wir das Göttliche verfolgen mit
ſo reinem Heroismus wie er. — Mir ſind ſeine Sprüche
wie Orakelſprüche, die er als der Prieſter des Gottes im
Wahnſinn ausruft, und gewiß iſt alles Weltleben ihm
gegenüber wahnſinnig, denn es begreift ihn nicht. Und
wie iſt doch das Geiſtesweſen jener beſchaffen die nicht
wahnſinnig ſich deuchten? — iſt es nicht Wahnſinn
auch, aber an dem kein Gott Antheil hat? — Wahnſinn,
merk ich, nennt man das was keinen Widerhall hat
im Geiſt der andern, aber in mir hat dies alles Wider¬
hall, und ich fühle in noch tieferen Tiefen des Geiſtes,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/439>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.