zu reimen, das dem Geist die Kehle zuschnüre. Nur der Geist sei Poesie der das Geheimniß eines ihm eingebor¬ nen Rhythmus in sich trage, und nur mit diesem Rhyth¬ mus könne er lebendig und sichtbar werden, denn die¬ ser sei seine Seele, aber die Gedichte seien lauter Sche¬ men, keine Geister mit Seelen. --
Es gebe höhere Gesetze für die Poesie, jede Gefühls¬ regung entwickle sich neuen Gesetzen die sich nicht an¬ wenden lassen auf andre, denn alles Wahre sei pro¬ phetisch und überströme seine Zeit mit Licht, und der Poesie allein sei anheimgegeben dies Licht zu verbreiten, drum müsse der Geist, und könne nur, durch sie hervor¬ gehen. Geist gehe nur durch Begeistrung hervor. -- Nur allein Dem füge sich der Rhythmus, in dem der Geist lebendig werde! -- wieder: --
"Wer erzogen werde zur Poesie in göttlichem Sinn, der müsse den Geist des Höchsten für gesetzlos anerkennen über sich, und müsse das Gesetz ihm preis¬ geben; Nicht wie ich will, sondern wie du willst! -- und so müsse er sich kein Gesetz bauen, denn die Poesie werde sich nimmer einzwängen las¬ sen, sondern der Versbau werde ewig ein leeres Haus bleiben, in dem nur Poltergeister sich aufhalten. Weil aber der Mensch der Begeisterung nie vertraue, könne
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zu reimen, das dem Geiſt die Kehle zuſchnüre. Nur der Geiſt ſei Poeſie der das Geheimniß eines ihm eingebor¬ nen Rhythmus in ſich trage, und nur mit dieſem Rhyth¬ mus könne er lebendig und ſichtbar werden, denn die¬ ſer ſei ſeine Seele, aber die Gedichte ſeien lauter Sche¬ men, keine Geiſter mit Seelen. —
Es gebe höhere Geſetze für die Poeſie, jede Gefühls¬ regung entwickle ſich neuen Geſetzen die ſich nicht an¬ wenden laſſen auf andre, denn alles Wahre ſei pro¬ phetiſch und überſtröme ſeine Zeit mit Licht, und der Poeſie allein ſei anheimgegeben dies Licht zu verbreiten, drum müſſe der Geiſt, und könne nur, durch ſie hervor¬ gehen. Geiſt gehe nur durch Begeiſtrung hervor. — Nur allein Dem füge ſich der Rhythmus, in dem der Geiſt lebendig werde! — wieder: —
„Wer erzogen werde zur Poeſie in göttlichem Sinn, der müſſe den Geiſt des Höchſten für geſetzlos anerkennen über ſich, und müſſe das Geſetz ihm preis¬ geben; Nicht wie ich will, ſondern wie du willſt! — und ſo müſſe er ſich kein Geſetz bauen, denn die Poeſie werde ſich nimmer einzwängen laſ¬ ſen, ſondern der Versbau werde ewig ein leeres Haus bleiben, in dem nur Poltergeiſter ſich aufhalten. Weil aber der Menſch der Begeiſterung nie vertraue, könne
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zu reimen, das dem Geiſt die Kehle zuſchnüre. Nur der
Geiſt ſei Poeſie der das Geheimniß eines ihm eingebor¬
nen Rhythmus in ſich trage, und nur mit dieſem Rhyth¬
mus könne er lebendig und ſichtbar werden, denn die¬
ſer ſei ſeine Seele, aber die Gedichte ſeien lauter Sche¬
men, keine Geiſter mit Seelen. —
Es gebe höhere Geſetze für die Poeſie, jede Gefühls¬
regung entwickle ſich neuen Geſetzen die ſich nicht an¬
wenden laſſen auf andre, denn alles Wahre ſei pro¬
phetiſch und überſtröme ſeine Zeit mit Licht, und der
Poeſie allein ſei anheimgegeben dies Licht zu verbreiten,
drum müſſe der Geiſt, und könne nur, durch ſie hervor¬
gehen. Geiſt gehe nur durch Begeiſtrung hervor. —
Nur allein Dem füge ſich der Rhythmus, in dem der
Geiſt lebendig werde! — wieder: —
„Wer erzogen werde zur Poeſie in göttlichem
Sinn, der müſſe den Geiſt des Höchſten für geſetzlos
anerkennen über ſich, und müſſe das Geſetz ihm preis¬
geben; Nicht wie ich will, ſondern wie du
willſt! — und ſo müſſe er ſich kein Geſetz bauen,
denn die Poeſie werde ſich nimmer einzwängen laſ¬
ſen, ſondern der Versbau werde ewig ein leeres Haus
bleiben, in dem nur Poltergeiſter ſich aufhalten. Weil
aber der Menſch der Begeiſterung nie vertraue, könne
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/433>, abgerufen am 22.12.2024.
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