am Lebendigen, an der Mährchenwelt die unsre Einbil¬ dung uns damals so üppig aufgehen ließ daß sie die Wirklichkeit verschlang, doch wird sichs ändern, gewiß, wenn wir wieder zusammen sind, diesen Winter denk ich ernstlich mich zu überwinden, ich hab mir einen Plan gemacht zu einer Tragödie, die hohen spartani¬ schen Frauen studiere ich jetzt. Wenn ich nicht helden¬ müthig sein kann, und immer krank bin an Zagen und Zaudern, so will ich zum wenigsten meine Seele ganz mit jenem Heroismus erfüllen und meinen Geist mit jener Lebenskraft nähren die jetzt mir so schmerzhaft oft mangelt, und wo her sich alles melancholische doch wohl in mir erzeugt. -- Doch fürchte nichts für mich, es sind nur Minuten wo michs überfällt wie starker Frost, doch Deinen frühlingsheißen Briefen widersteht er nicht. -- Heut und gestern war ein Grünen und Blü¬ hen in mir, -- und ich lese sie gern wieder, dann bin ich immer wieder glücklicher gestimmt, ich danke Dir dafür. -- Auch von Clemens sagst Du mir was mich freute. -- Lebe wohl. -- Dein Naturbrief, besonders hat mir Freude gemacht, er ist wie das Zwitschern junger Vögel die sich noch im Nest der Ätzung freuen, -- die die Mutter in Fülle ihnen giebt, sind sie erst flücke, dann werden vielleicht auch da Geistesgesetze herausflie¬
am Lebendigen, an der Mährchenwelt die unſre Einbil¬ dung uns damals ſo üppig aufgehen ließ daß ſie die Wirklichkeit verſchlang, doch wird ſichs ändern, gewiß, wenn wir wieder zuſammen ſind, dieſen Winter denk ich ernſtlich mich zu überwinden, ich hab mir einen Plan gemacht zu einer Tragödie, die hohen ſpartani¬ ſchen Frauen ſtudiere ich jetzt. Wenn ich nicht helden¬ müthig ſein kann, und immer krank bin an Zagen und Zaudern, ſo will ich zum wenigſten meine Seele ganz mit jenem Heroismus erfüllen und meinen Geiſt mit jener Lebenskraft nähren die jetzt mir ſo ſchmerzhaft oft mangelt, und wo her ſich alles melancholiſche doch wohl in mir erzeugt. — Doch fürchte nichts für mich, es ſind nur Minuten wo michs überfällt wie ſtarker Froſt, doch Deinen frühlingsheißen Briefen widerſteht er nicht. — Heut und geſtern war ein Grünen und Blü¬ hen in mir, — und ich leſe ſie gern wieder, dann bin ich immer wieder glücklicher geſtimmt, ich danke Dir dafür. — Auch von Clemens ſagſt Du mir was mich freute. — Lebe wohl. — Dein Naturbrief, beſonders hat mir Freude gemacht, er iſt wie das Zwitſchern junger Vögel die ſich noch im Neſt der Ätzung freuen, — die die Mutter in Fülle ihnen giebt, ſind ſie erſt flücke, dann werden vielleicht auch da Geiſtesgeſetze herausflie¬
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am Lebendigen, an der Mährchenwelt die unſre Einbil¬
dung uns damals ſo üppig aufgehen ließ daß ſie die
Wirklichkeit verſchlang, doch wird ſichs ändern, gewiß,
wenn wir wieder zuſammen ſind, dieſen Winter denk
ich ernſtlich mich zu überwinden, ich hab mir einen
Plan gemacht zu einer Tragödie, die hohen ſpartani¬
ſchen Frauen ſtudiere ich jetzt. Wenn ich nicht helden¬
müthig ſein kann, und immer krank bin an Zagen und
Zaudern, ſo will ich zum wenigſten meine Seele ganz
mit jenem Heroismus erfüllen und meinen Geiſt mit
jener Lebenskraft nähren die jetzt mir ſo ſchmerzhaft
oft mangelt, und wo her ſich alles melancholiſche doch
wohl in mir erzeugt. — Doch fürchte nichts für mich,
es ſind nur Minuten wo michs überfällt wie ſtarker
Froſt, doch Deinen frühlingsheißen Briefen widerſteht
er nicht. — Heut und geſtern war ein Grünen und Blü¬
hen in mir, — und ich leſe ſie gern wieder, dann bin
ich immer wieder glücklicher geſtimmt, ich danke Dir
dafür. — Auch von Clemens ſagſt Du mir was mich
freute. — Lebe wohl. — Dein Naturbrief, beſonders hat
mir Freude gemacht, er iſt wie das Zwitſchern junger
Vögel die ſich noch im Neſt der Ätzung freuen, — die
die Mutter in Fülle ihnen giebt, ſind ſie erſt flücke,
dann werden vielleicht auch da Geiſtesgeſetze herausflie¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/420>, abgerufen am 29.11.2024.
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