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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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delt der wahre Geist sich in die Natur, weil die ihm
begegnet all überall, weil ihr Berühren mit ihm allein
Geist ist, er wär nicht, wär die Natur nicht leidenschaft¬
lich seiner bedürftig, das eben ruft ihn jeden Augenblick
ins Leben, Geist ist fortwährendes Lebendigwerden um
die Natur zu küssen, seine Formen in sie prägen; die
Natur saugt die Geistesformen in sich, davon lebt sie,
und Geist fließt durch alle Gestalten mit ihr zusammen,
so faßt die Natur sich selber in ihren Formen, das ist
eben der ganz göttliche Reiz in ihr, Reiz ist Zauber,
wo kann Zauber her entstehen als durch das Sichselbst¬
erfassen? -- ja das ist schon wieder was neues das
wollen wir morgen besprechen. Heute Abend thut mir
der Nacken weh vom schreiben, -- das wollt ich nur
noch sagen: mein Geist, oder durch mich spricht der Geist
mit ihr, und dabei bin ich ganz unregsam, ich besinn
mich nicht, ich denk nichts, ich hab keine Betrachtung,
aber nachher kann ich davon erzählen wie Du siehst,
heut zum erstenmal, also erzeugt das Ineinanderfließen
des Geistes mit der Natur doch Gedanken, die man
nachher hat. -- Was sind das aber vor Gedanken, ei¬
ner könnt sagen es sind Lügen, oder Dummheiten Fabe¬
leien und also keine Gedanken, denn was kann ichs be¬
weisen oder zu was frommen und führen diese Gedan¬

delt der wahre Geiſt ſich in die Natur, weil die ihm
begegnet all überall, weil ihr Berühren mit ihm allein
Geiſt iſt, er wär nicht, wär die Natur nicht leidenſchaft¬
lich ſeiner bedürftig, das eben ruft ihn jeden Augenblick
ins Leben, Geiſt iſt fortwährendes Lebendigwerden um
die Natur zu küſſen, ſeine Formen in ſie prägen; die
Natur ſaugt die Geiſtesformen in ſich, davon lebt ſie,
und Geiſt fließt durch alle Geſtalten mit ihr zuſammen,
ſo faßt die Natur ſich ſelber in ihren Formen, das iſt
eben der ganz göttliche Reiz in ihr, Reiz iſt Zauber,
wo kann Zauber her entſtehen als durch das Sichſelbſt¬
erfaſſen? — ja das iſt ſchon wieder was neues das
wollen wir morgen beſprechen. Heute Abend thut mir
der Nacken weh vom ſchreiben, — das wollt ich nur
noch ſagen: mein Geiſt, oder durch mich ſpricht der Geiſt
mit ihr, und dabei bin ich ganz unregſam, ich beſinn
mich nicht, ich denk nichts, ich hab keine Betrachtung,
aber nachher kann ich davon erzählen wie Du ſiehſt,
heut zum erſtenmal, alſo erzeugt das Ineinanderfließen
des Geiſtes mit der Natur doch Gedanken, die man
nachher hat. — Was ſind das aber vor Gedanken, ei¬
ner könnt ſagen es ſind Lügen, oder Dummheiten Fabe¬
leien und alſo keine Gedanken, denn was kann ichs be¬
weiſen oder zu was frommen und führen dieſe Gedan¬

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[395/0411] delt der wahre Geiſt ſich in die Natur, weil die ihm begegnet all überall, weil ihr Berühren mit ihm allein Geiſt iſt, er wär nicht, wär die Natur nicht leidenſchaft¬ lich ſeiner bedürftig, das eben ruft ihn jeden Augenblick ins Leben, Geiſt iſt fortwährendes Lebendigwerden um die Natur zu küſſen, ſeine Formen in ſie prägen; die Natur ſaugt die Geiſtesformen in ſich, davon lebt ſie, und Geiſt fließt durch alle Geſtalten mit ihr zuſammen, ſo faßt die Natur ſich ſelber in ihren Formen, das iſt eben der ganz göttliche Reiz in ihr, Reiz iſt Zauber, wo kann Zauber her entſtehen als durch das Sichſelbſt¬ erfaſſen? — ja das iſt ſchon wieder was neues das wollen wir morgen beſprechen. Heute Abend thut mir der Nacken weh vom ſchreiben, — das wollt ich nur noch ſagen: mein Geiſt, oder durch mich ſpricht der Geiſt mit ihr, und dabei bin ich ganz unregſam, ich beſinn mich nicht, ich denk nichts, ich hab keine Betrachtung, aber nachher kann ich davon erzählen wie Du ſiehſt, heut zum erſtenmal, alſo erzeugt das Ineinanderfließen des Geiſtes mit der Natur doch Gedanken, die man nachher hat. — Was ſind das aber vor Gedanken, ei¬ ner könnt ſagen es ſind Lügen, oder Dummheiten Fabe¬ leien und alſo keine Gedanken, denn was kann ichs be¬ weiſen oder zu was frommen und führen dieſe Gedan¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/411>, abgerufen am 28.11.2024.