Die Hoch sagte: Sie haben das Lied schön verketzert, kein Mensch wirds für ein Andachtslied erkennen -- Ich hab es doch mit wahrer Andacht gesungen, ist es eine Sünde, so wollen wir lieber ein Bußlied singen damit mir nicht gar noch ein Bart davon wächst. Die Hoch sagte: Ach gehn Sie doch, das wär Ihnen grad recht wenn Ihnen ein Bart wüchse.
Am andern Morgen ging die Tonie zum Tyroler und ich ging mit um mir sein Antlitz einzuprägen, ich dachte wenn man sich so was tief in die Seel schreibt, so blühts am End mit einem auf, und weil die Tonie Handschuh aussuchte setzte sich ein Schmetterling der vom Main herübergeflogen kam auf den Strauß an seinem Hut. Ach guck den Schmetterling, den haben die Blu¬ men an Deinem Hut herbeigelockt! -- Der Tyroler fragte: "Was ist das für ein Ding ein Schmetterling?" und sieht ihn fliegen und ruft: "Ei was, das ist ja ein Pfeilmuther und kein Schmetterling. Du bist ein Schmetterling, und kriegt mich um den Hals und küßt mich auf den Mund. Die Tonie macht ein bös Gesicht und kauft gleich keine Handschuh mehr bei ihm und geht fort, "na" ruft er ihr nach, "nem Sies nit übel das Madel nimts ja auch nit übel auf," und die Tonie mußt
Die Hoch ſagte: Sie haben das Lied ſchön verketzert, kein Menſch wirds für ein Andachtslied erkennen — Ich hab es doch mit wahrer Andacht geſungen, iſt es eine Sünde, ſo wollen wir lieber ein Bußlied ſingen damit mir nicht gar noch ein Bart davon wächſt. Die Hoch ſagte: Ach gehn Sie doch, das wär Ihnen grad recht wenn Ihnen ein Bart wüchſe.
Am andern Morgen ging die Tonie zum Tyroler und ich ging mit um mir ſein Antlitz einzuprägen, ich dachte wenn man ſich ſo was tief in die Seel ſchreibt, ſo blühts am End mit einem auf, und weil die Tonie Handſchuh ausſuchte ſetzte ſich ein Schmetterling der vom Main herübergeflogen kam auf den Strauß an ſeinem Hut. Ach guck den Schmetterling, den haben die Blu¬ men an Deinem Hut herbeigelockt! — Der Tyroler fragte: „Was iſt das für ein Ding ein Schmetterling?“ und ſieht ihn fliegen und ruft: „Ei was, das iſt ja ein Pfeilmuther und kein Schmetterling. Du biſt ein Schmetterling, und kriegt mich um den Hals und küßt mich auf den Mund. Die Tonie macht ein bös Geſicht und kauft gleich keine Handſchuh mehr bei ihm und geht fort, „na“ ruft er ihr nach, „nem Sies nit übel das Madel nimts ja auch nit übel auf,“ und die Tonie mußt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0402"n="386"/><p>Die Hoch ſagte: Sie haben das Lied ſchön verketzert,<lb/>
kein Menſch wirds für ein Andachtslied erkennen — Ich<lb/>
hab es doch mit wahrer Andacht geſungen, iſt es eine<lb/>
Sünde, ſo wollen wir lieber ein Bußlied ſingen damit<lb/>
mir nicht gar noch ein Bart davon wächſt. Die Hoch<lb/>ſagte: Ach gehn Sie doch, das wär Ihnen grad recht<lb/>
wenn Ihnen ein Bart wüchſe.</p><lb/><pxml:id="p402a"next="p403a">Am andern Morgen ging die Tonie zum Tyroler<lb/>
und ich ging mit um mir ſein <hirendition="#g">Antlitz</hi> einzuprägen, ich<lb/>
dachte wenn man ſich ſo was tief in die Seel ſchreibt,<lb/>ſo blühts am End mit einem auf, und weil die Tonie<lb/>
Handſchuh ausſuchte ſetzte ſich ein Schmetterling der vom<lb/>
Main herübergeflogen kam auf den Strauß an ſeinem<lb/>
Hut. Ach guck den Schmetterling, den haben die Blu¬<lb/>
men an Deinem Hut herbeigelockt! — Der Tyroler<lb/>
fragte: „Was iſt das für ein Ding ein Schmetterling?“<lb/>
und ſieht ihn fliegen und ruft: „Ei was, das iſt ja ein<lb/>
Pfeilmuther und kein Schmetterling. Du biſt ein<lb/>
Schmetterling, und kriegt mich um den Hals und küßt<lb/>
mich auf den Mund. Die Tonie macht ein bös Geſicht<lb/>
und kauft gleich keine Handſchuh mehr bei ihm und<lb/>
geht fort, „na“ ruft er ihr nach, „nem Sies nit übel das<lb/>
Madel nimts ja auch nit übel auf,“ und die Tonie mußt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[386/0402]
Die Hoch ſagte: Sie haben das Lied ſchön verketzert,
kein Menſch wirds für ein Andachtslied erkennen — Ich
hab es doch mit wahrer Andacht geſungen, iſt es eine
Sünde, ſo wollen wir lieber ein Bußlied ſingen damit
mir nicht gar noch ein Bart davon wächſt. Die Hoch
ſagte: Ach gehn Sie doch, das wär Ihnen grad recht
wenn Ihnen ein Bart wüchſe.
Am andern Morgen ging die Tonie zum Tyroler
und ich ging mit um mir ſein Antlitz einzuprägen, ich
dachte wenn man ſich ſo was tief in die Seel ſchreibt,
ſo blühts am End mit einem auf, und weil die Tonie
Handſchuh ausſuchte ſetzte ſich ein Schmetterling der vom
Main herübergeflogen kam auf den Strauß an ſeinem
Hut. Ach guck den Schmetterling, den haben die Blu¬
men an Deinem Hut herbeigelockt! — Der Tyroler
fragte: „Was iſt das für ein Ding ein Schmetterling?“
und ſieht ihn fliegen und ruft: „Ei was, das iſt ja ein
Pfeilmuther und kein Schmetterling. Du biſt ein
Schmetterling, und kriegt mich um den Hals und küßt
mich auf den Mund. Die Tonie macht ein bös Geſicht
und kauft gleich keine Handſchuh mehr bei ihm und
geht fort, „na“ ruft er ihr nach, „nem Sies nit übel das
Madel nimts ja auch nit übel auf,“ und die Tonie mußt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/402>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.