gefangen und mir auf die Seele geträufelt. Wenn der Sänger mit sausenden Schwingen dahin flog, an uns vorüber! -- Weißt Du's noch? -- "dahin raste der hei߬ brausende Hymnensturm Latonens Sohn zum Preis!" -- Weißt Du's Günderode noch? -- das Licht war ausgebrannt. Du lagst auf dem Bett, die Seele voll Klang, und wiederholtest die Verse in festerprägenden Rhythmen wo ich das Versmaß sinken ließ, und bei der Nachtlampe las ich weiter:
Hört mich Ihr Söhne stolzer Helden und bei Götter -- Denn ich verkünde diesem meergepeitschen Land, Einst werde Epaphus Tochter eine Städtewurzel pflanzen Auf des harmmoniers Boden, den Sterblichen zur Wonne, Die kurzbefiederten Delphine vertauschen alsdann Mit schnellen Rossen werden sie, die Ruder mit Zügeln, -- Und fahren auf sturmfüßigen Wagen dahin.
Ich nahm diese letzten Zeilen zwischen die Lippen von Zeit zu Zeit und stieß sie im Gesang hinausrufend in die weit schlafende einsame Weite, und der Mond eilte mit hinter leichtem Gewölk hervor. Hörst Du auch wieder die alten Hymnen Latone, deinen Söhnen ge¬ sungen, rief ich, -- und so füllten sich allmählig meine Sinne und rauschten auf als seien sie von einem Har¬ fenrührer erschüttert mit goldnem Plecktrum und jugend¬ brausenden Muth. -- Glückliche Nacht wo die Gedan¬
gefangen und mir auf die Seele geträufelt. Wenn der Sänger mit ſauſenden Schwingen dahin flog, an uns vorüber! — Weißt Du's noch? — „dahin raſte der hei߬ brauſende Hymnenſturm Latonens Sohn zum Preis!“ — Weißt Du's Günderode noch? — das Licht war ausgebrannt. Du lagſt auf dem Bett, die Seele voll Klang, und wiederholteſt die Verſe in feſterprägenden Rhythmen wo ich das Versmaß ſinken ließ, und bei der Nachtlampe las ich weiter:
Hört mich Ihr Söhne ſtolzer Helden und bei Götter — Denn ich verkünde dieſem meergepeitſchen Land, Einſt werde Epaphus Tochter eine Städtewurzel pflanzen Auf des harmmoniers Boden, den Sterblichen zur Wonne, Die kurzbefiederten Delphine vertauſchen alsdann Mit ſchnellen Roſſen werden ſie, die Ruder mit Zügeln, — Und fahren auf ſturmfüßigen Wagen dahin.
Ich nahm dieſe letzten Zeilen zwiſchen die Lippen von Zeit zu Zeit und ſtieß ſie im Geſang hinausrufend in die weit ſchlafende einſame Weite, und der Mond eilte mit hinter leichtem Gewölk hervor. Hörſt Du auch wieder die alten Hymnen Latone, deinen Söhnen ge¬ ſungen, rief ich, — und ſo füllten ſich allmählig meine Sinne und rauſchten auf als ſeien ſie von einem Har¬ fenrührer erſchüttert mit goldnem Plecktrum und jugend¬ brauſenden Muth. — Glückliche Nacht wo die Gedan¬
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gefangen und mir auf die Seele geträufelt. Wenn der
Sänger mit ſauſenden Schwingen dahin flog, an uns
vorüber! — Weißt Du's noch? — „dahin raſte der hei߬
brauſende Hymnenſturm Latonens Sohn zum Preis!“
— Weißt Du's Günderode noch? — das Licht war
ausgebrannt. Du lagſt auf dem Bett, die Seele voll
Klang, und wiederholteſt die Verſe in feſterprägenden
Rhythmen wo ich das Versmaß ſinken ließ, und bei
der Nachtlampe las ich weiter:
Hört mich Ihr Söhne ſtolzer Helden und bei Götter —
Denn ich verkünde dieſem meergepeitſchen Land,
Einſt werde Epaphus Tochter eine Städtewurzel pflanzen
Auf des harmmoniers Boden, den Sterblichen zur Wonne,
Die kurzbefiederten Delphine vertauſchen alsdann
Mit ſchnellen Roſſen werden ſie, die Ruder mit Zügeln, —
Und fahren auf ſturmfüßigen Wagen dahin.
Ich nahm dieſe letzten Zeilen zwiſchen die Lippen von
Zeit zu Zeit und ſtieß ſie im Geſang hinausrufend in
die weit ſchlafende einſame Weite, und der Mond eilte
mit hinter leichtem Gewölk hervor. Hörſt Du auch
wieder die alten Hymnen Latone, deinen Söhnen ge¬
ſungen, rief ich, — und ſo füllten ſich allmählig meine
Sinne und rauſchten auf als ſeien ſie von einem Har¬
fenrührer erſchüttert mit goldnem Plecktrum und jugend¬
brauſenden Muth. — Glückliche Nacht wo die Gedan¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/351>, abgerufen am 25.11.2024.
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