Wald kamen da war der Mond aufgegangen, da wa¬ ren die Reiter eben so schnell wieder in den Wald zu¬ rück und jagten wie die Pfeile, ich sah ihnen nach, mein Blick war ganz trunken vom Flammenwind der da durchbrauste. Schreib dirs ins Herz sagt ich mir heimlich, das ist dein Leben, wie ein fliegender Feuer¬ drache ist dein Geist, er leuchtet die heilige Natur an, ihre dunklen Räume; mit heißer durstiger Zunge leckt er an ihr hinauf, aber er versehrt sie nicht -- der Drache ist nicht wild und giftig, nein! zahm und sanft auch; er schwingt sich in zärtlicher Unruh im Kreis und strömt seine Feuer in sanften Laven in die Bäche am Weg und sein glühender Athem erlischt in den Nacht¬ nebeln. Ja der Drache ist zärtlich und liebend auch, nicht giftig und tödtend, nur will ihn keiner verstehn, und alle fürchten sich vor ihm, aber nicht Du meine Günderode, Du scheust den Drachen nicht, Du kosest ihm und legst seinen Flammenrachen zärtlich in Dei¬ nen Schooß. -- Jetzt war ich aufgewacht aus meinen Träumen, ich nahm dem Reitknecht an meiner Seite, die Zügel und jagte durch die breite Ebne ganz im Mondlicht schwimmend. -- Ach wie lustig! -- allerlei Glücksempfindung! -- Mit Dir hab ich den Pindar ge¬ lesen, Du hast auf Deinen Lippen die Begeistrung auf¬
Wald kamen da war der Mond aufgegangen, da wa¬ ren die Reiter eben ſo ſchnell wieder in den Wald zu¬ rück und jagten wie die Pfeile, ich ſah ihnen nach, mein Blick war ganz trunken vom Flammenwind der da durchbrauſte. Schreib dirs ins Herz ſagt ich mir heimlich, das iſt dein Leben, wie ein fliegender Feuer¬ drache iſt dein Geiſt, er leuchtet die heilige Natur an, ihre dunklen Räume; mit heißer durſtiger Zunge leckt er an ihr hinauf, aber er verſehrt ſie nicht — der Drache iſt nicht wild und giftig, nein! zahm und ſanft auch; er ſchwingt ſich in zärtlicher Unruh im Kreis und ſtrömt ſeine Feuer in ſanften Laven in die Bäche am Weg und ſein glühender Athem erliſcht in den Nacht¬ nebeln. Ja der Drache iſt zärtlich und liebend auch, nicht giftig und tödtend, nur will ihn keiner verſtehn, und alle fürchten ſich vor ihm, aber nicht Du meine Günderode, Du ſcheuſt den Drachen nicht, Du koſeſt ihm und legſt ſeinen Flammenrachen zärtlich in Dei¬ nen Schooß. — Jetzt war ich aufgewacht aus meinen Träumen, ich nahm dem Reitknecht an meiner Seite, die Zügel und jagte durch die breite Ebne ganz im Mondlicht ſchwimmend. — Ach wie luſtig! — allerlei Glücksempfindung! — Mit Dir hab ich den Pindar ge¬ leſen, Du haſt auf Deinen Lippen die Begeiſtrung auf¬
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Wald kamen da war der Mond aufgegangen, da wa¬
ren die Reiter eben ſo ſchnell wieder in den Wald zu¬
rück und jagten wie die Pfeile, ich ſah ihnen nach,
mein Blick war ganz trunken vom Flammenwind der
da durchbrauſte. Schreib dirs ins Herz ſagt ich mir
heimlich, das iſt dein Leben, wie ein fliegender Feuer¬
drache iſt dein Geiſt, er leuchtet die heilige Natur an,
ihre dunklen Räume; mit heißer durſtiger Zunge leckt
er an ihr hinauf, aber er verſehrt ſie nicht — der Drache
iſt nicht wild und giftig, nein! zahm und ſanft auch;
er ſchwingt ſich in zärtlicher Unruh im Kreis und
ſtrömt ſeine Feuer in ſanften Laven in die Bäche am
Weg und ſein glühender Athem erliſcht in den Nacht¬
nebeln. Ja der Drache iſt zärtlich und liebend auch,
nicht giftig und tödtend, nur will ihn keiner verſtehn,
und alle fürchten ſich vor ihm, aber nicht Du meine
Günderode, Du ſcheuſt den Drachen nicht, Du koſeſt
ihm und legſt ſeinen Flammenrachen zärtlich in Dei¬
nen Schooß. — Jetzt war ich aufgewacht aus meinen
Träumen, ich nahm dem Reitknecht an meiner Seite,
die Zügel und jagte durch die breite Ebne ganz im
Mondlicht ſchwimmend. — Ach wie luſtig! — allerlei
Glücksempfindung! — Mit Dir hab ich den Pindar ge¬
leſen, Du haſt auf Deinen Lippen die Begeiſtrung auf¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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