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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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habs geläugnet und gesagt, Gott sei die Leidenschaft,
die Weisheit, die kommt ihm zu gut das Leidenschaftsall
zu bestehen, aber sie ist nicht er selber; meine Gründe:
was sollte Gott mit aller Weisheit, wenn er sie nicht
anbringen kann. Wenn aus allem was geschaffen ist,
sich Neues erzeugt, wenn keine Gewalt, keine Kraft
überflüssig ist, sondern grad um ihrer höchsten Entwicke¬
lung willen sich ewig selbst anregend steigern muß, so
kann die Weisheit Gottes nicht selbst die Händ in den
Schooß legen wollen. -- Himmel und Erde regieren wo
Sonn und Mond und alle Stern schon für die Ewig¬
keit angepapt sind, das kann der Weisheit kein Reiz
sein; sich in Menschenangelegenheit mischen, ihre Gebete
erhören die alle verkehrt sind, das muß bei himmlischer
Hofhaltung doch wohl von selber gehen. Sollte Gott sich
des Dings selber annehmen, -- es wäre unweise,-- denn der
Hauch Gottes überwiegt alles geistige Wehen der Mensch¬
heit, so würde diese denn nimmer der eignen Weisheit
Keim lösen können in sich. Unser Geist ist feuermächtig,
er soll sich selbst anfachen; wir haben die Leidenschaft,
sie soll im Geistesfeuer gen Himmel steigen zum ewigen
Erzeuger, in seiner Leidenschaften Gluth mit allem über¬
gehen; nicht umsonst steigt in der Leidenschaft der
mächtige Geist der Unsterblichkeit auf, jeder Hauch,

habs geläugnet und geſagt, Gott ſei die Leidenſchaft,
die Weisheit, die kommt ihm zu gut das Leidenſchaftsall
zu beſtehen, aber ſie iſt nicht er ſelber; meine Gründe:
was ſollte Gott mit aller Weisheit, wenn er ſie nicht
anbringen kann. Wenn aus allem was geſchaffen iſt,
ſich Neues erzeugt, wenn keine Gewalt, keine Kraft
überflüſſig iſt, ſondern grad um ihrer höchſten Entwicke¬
lung willen ſich ewig ſelbſt anregend ſteigern muß, ſo
kann die Weisheit Gottes nicht ſelbſt die Händ in den
Schooß legen wollen. — Himmel und Erde regieren wo
Sonn und Mond und alle Stern ſchon für die Ewig¬
keit angepapt ſind, das kann der Weisheit kein Reiz
ſein; ſich in Menſchenangelegenheit miſchen, ihre Gebete
erhören die alle verkehrt ſind, das muß bei himmliſcher
Hofhaltung doch wohl von ſelber gehen. Sollte Gott ſich
des Dings ſelber annehmen, — es wäre unweiſe,— denn der
Hauch Gottes überwiegt alles geiſtige Wehen der Menſch¬
heit, ſo würde dieſe denn nimmer der eignen Weisheit
Keim löſen können in ſich. Unſer Geiſt iſt feuermächtig,
er ſoll ſich ſelbſt anfachen; wir haben die Leidenſchaft,
ſie ſoll im Geiſtesfeuer gen Himmel ſteigen zum ewigen
Erzeuger, in ſeiner Leidenſchaften Gluth mit allem über¬
gehen; nicht umſonſt ſteigt in der Leidenſchaft der
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[307/0323] habs geläugnet und geſagt, Gott ſei die Leidenſchaft, die Weisheit, die kommt ihm zu gut das Leidenſchaftsall zu beſtehen, aber ſie iſt nicht er ſelber; meine Gründe: was ſollte Gott mit aller Weisheit, wenn er ſie nicht anbringen kann. Wenn aus allem was geſchaffen iſt, ſich Neues erzeugt, wenn keine Gewalt, keine Kraft überflüſſig iſt, ſondern grad um ihrer höchſten Entwicke¬ lung willen ſich ewig ſelbſt anregend ſteigern muß, ſo kann die Weisheit Gottes nicht ſelbſt die Händ in den Schooß legen wollen. — Himmel und Erde regieren wo Sonn und Mond und alle Stern ſchon für die Ewig¬ keit angepapt ſind, das kann der Weisheit kein Reiz ſein; ſich in Menſchenangelegenheit miſchen, ihre Gebete erhören die alle verkehrt ſind, das muß bei himmliſcher Hofhaltung doch wohl von ſelber gehen. Sollte Gott ſich des Dings ſelber annehmen, — es wäre unweiſe,— denn der Hauch Gottes überwiegt alles geiſtige Wehen der Menſch¬ heit, ſo würde dieſe denn nimmer der eignen Weisheit Keim löſen können in ſich. Unſer Geiſt iſt feuermächtig, er ſoll ſich ſelbſt anfachen; wir haben die Leidenſchaft, ſie ſoll im Geiſtesfeuer gen Himmel ſteigen zum ewigen Erzeuger, in ſeiner Leidenſchaften Gluth mit allem über¬ gehen; nicht umſonſt ſteigt in der Leidenſchaft der mächtige Geiſt der Unſterblichkeit auf, jeder Hauch,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/323>, abgerufen am 25.11.2024.