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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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wissen, und wenns ein Bienchen wär daß ohne meine
Hülfe ertrinken müßte so reich ich erst den Zweig ihm
sich zu retten, das ist das Fundament von meinem in¬
nerlichen Glück, überhaupt was sollt ich doch um irdisch
Glück für Noth haben, es ficht mich nicht an. Soll
sich einer glücklich preisen, ich müßt ihn auslachen. --
Sagt mir einer dir geschieht nichts, die Tage gehen
vorbei, und kannst dein Wirken nicht vereinen mit der
Zeit, sie will nichts von dir, und läuft ihren Weg, sie
hat taube Ohren im Gebrause aller deren jeder einer
für sich sorgend seine Stimme will geltend machen und
sich durchfechten. Nun das ist mir nichts. -- Ob han¬
delnd oder fühlend, tiefempfindend mit dem Genius um¬
gehen, das ist dasselbe, was ist denn Handlen anders
als fühlbar werden das Rechte, und es thun. Handlen
ist nur der Buchstabe des Geistes, es ist noch nicht
so süße als die heimliche himmlische Schule des
Geistes. Wo ich auch hinaus denk, mir deucht nichts
glücklicher als im Schatten liegen jener großen Linde
unter ihren fallenden Blüthen, und durch ihr rauschend
Gezweig dem Geliebten entgegen lauschen, dem heiligen
Geist. Der ist mein Geliebter, der kommt und besucht
mich jetzt in der heißen Jahreszeit, wenn ich im Boskett
lunze, und es regnet Lindenblüthen auf mich mit jedem

wiſſen, und wenns ein Bienchen wär daß ohne meine
Hülfe ertrinken müßte ſo reich ich erſt den Zweig ihm
ſich zu retten, das iſt das Fundament von meinem in¬
nerlichen Glück, überhaupt was ſollt ich doch um irdiſch
Glück für Noth haben, es ficht mich nicht an. Soll
ſich einer glücklich preiſen, ich müßt ihn auslachen. —
Sagt mir einer dir geſchieht nichts, die Tage gehen
vorbei, und kannſt dein Wirken nicht vereinen mit der
Zeit, ſie will nichts von dir, und läuft ihren Weg, ſie
hat taube Ohren im Gebrauſe aller deren jeder einer
für ſich ſorgend ſeine Stimme will geltend machen und
ſich durchfechten. Nun das iſt mir nichts. — Ob han¬
delnd oder fühlend, tiefempfindend mit dem Genius um¬
gehen, das iſt daſſelbe, was iſt denn Handlen anders
als fühlbar werden das Rechte, und es thun. Handlen
iſt nur der Buchſtabe des Geiſtes, es iſt noch nicht
ſo ſüße als die heimliche himmliſche Schule des
Geiſtes. Wo ich auch hinaus denk, mir deucht nichts
glücklicher als im Schatten liegen jener großen Linde
unter ihren fallenden Blüthen, und durch ihr rauſchend
Gezweig dem Geliebten entgegen lauſchen, dem heiligen
Geiſt. Der iſt mein Geliebter, der kommt und beſucht
mich jetzt in der heißen Jahreszeit, wenn ich im Boskett
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[285/0301] wiſſen, und wenns ein Bienchen wär daß ohne meine Hülfe ertrinken müßte ſo reich ich erſt den Zweig ihm ſich zu retten, das iſt das Fundament von meinem in¬ nerlichen Glück, überhaupt was ſollt ich doch um irdiſch Glück für Noth haben, es ficht mich nicht an. Soll ſich einer glücklich preiſen, ich müßt ihn auslachen. — Sagt mir einer dir geſchieht nichts, die Tage gehen vorbei, und kannſt dein Wirken nicht vereinen mit der Zeit, ſie will nichts von dir, und läuft ihren Weg, ſie hat taube Ohren im Gebrauſe aller deren jeder einer für ſich ſorgend ſeine Stimme will geltend machen und ſich durchfechten. Nun das iſt mir nichts. — Ob han¬ delnd oder fühlend, tiefempfindend mit dem Genius um¬ gehen, das iſt daſſelbe, was iſt denn Handlen anders als fühlbar werden das Rechte, und es thun. Handlen iſt nur der Buchſtabe des Geiſtes, es iſt noch nicht ſo ſüße als die heimliche himmliſche Schule des Geiſtes. Wo ich auch hinaus denk, mir deucht nichts glücklicher als im Schatten liegen jener großen Linde unter ihren fallenden Blüthen, und durch ihr rauſchend Gezweig dem Geliebten entgegen lauſchen, dem heiligen Geiſt. Der iſt mein Geliebter, der kommt und beſucht mich jetzt in der heißen Jahreszeit, wenn ich im Boskett lunze, und es regnet Lindenblüthen auf mich mit jedem

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/301>, abgerufen am 25.11.2024.