noch zu unserer schwebenden Religion -- und mein in¬ neres Glück das mach ich mit den Göttern ab. Diese Momente, wo ein Gefühl: Göttertriebe seien in uns wach, dem Stolz das Gefieder aufblättert, daß die Ge¬ danken Respekt vor uns haben, die Gemeinen, -- und uns aus dem Weg gehen. Ach das ists -- dann steigt man allein auf die Berggipfel und athmet die Lüfte ein im Nachtwind, in denen der Genius uns anhaucht vor Lust und Dank daß er ohne Sünde, ohne Verläugnung wiedergeboren ward in uns; und dann weiht man aufs neue sich ihm und verschwistert sich mit sich selber, al¬ les zu tragen, zu dulden. Nichts ist zu klein was solche große Seelenkräfte in Anspruch nimmt, denn eben diese zu üben ist ja das Große; und versäumen kann man nicht das Höhere um das Geringere, denn eben daß an das Geringe alle Seelenkraft gewendet werde, mit Fürsorge gleich der des Lebenspenders, das ist das wahre Opfer was uns göttlich macht. "Man muß al¬ les dem lieben Gott überlassen" sagen die guten Chri¬ sten -- ja wohl, von ihm nehme ich an was er mir zuerst entgegensendet, wozu die erste Regung meines Geistes mich mahnt, und laß aus dem Zeitenstrom mich dahinschwimmen den er mir geschenkt, und ob ich da früheres versäume oder größeres, das kann ich nicht
noch zu unſerer ſchwebenden Religion — und mein in¬ neres Glück das mach ich mit den Göttern ab. Dieſe Momente, wo ein Gefühl: Göttertriebe ſeien in uns wach, dem Stolz das Gefieder aufblättert, daß die Ge¬ danken Reſpekt vor uns haben, die Gemeinen, — und uns aus dem Weg gehen. Ach das iſts — dann ſteigt man allein auf die Berggipfel und athmet die Lüfte ein im Nachtwind, in denen der Genius uns anhaucht vor Luſt und Dank daß er ohne Sünde, ohne Verläugnung wiedergeboren ward in uns; und dann weiht man aufs neue ſich ihm und verſchwiſtert ſich mit ſich ſelber, al¬ les zu tragen, zu dulden. Nichts iſt zu klein was ſolche große Seelenkräfte in Anſpruch nimmt, denn eben dieſe zu üben iſt ja das Große; und verſäumen kann man nicht das Höhere um das Geringere, denn eben daß an das Geringe alle Seelenkraft gewendet werde, mit Fürſorge gleich der des Lebenſpenders, das iſt das wahre Opfer was uns göttlich macht. „Man muß al¬ les dem lieben Gott überlaſſen“ ſagen die guten Chri¬ ſten — ja wohl, von ihm nehme ich an was er mir zuerſt entgegenſendet, wozu die erſte Regung meines Geiſtes mich mahnt, und laß aus dem Zeitenſtrom mich dahinſchwimmen den er mir geſchenkt, und ob ich da früheres verſäume oder größeres, das kann ich nicht
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noch zu unſerer ſchwebenden Religion — und mein in¬
neres Glück das mach ich mit den Göttern ab. Dieſe
Momente, wo ein Gefühl: Göttertriebe ſeien in uns
wach, dem Stolz das Gefieder aufblättert, daß die Ge¬
danken Reſpekt vor uns haben, die Gemeinen, — und uns
aus dem Weg gehen. Ach das iſts — dann ſteigt man
allein auf die Berggipfel und athmet die Lüfte ein im
Nachtwind, in denen der Genius uns anhaucht vor Luſt
und Dank daß er ohne Sünde, ohne Verläugnung
wiedergeboren ward in uns; und dann weiht man aufs
neue ſich ihm und verſchwiſtert ſich mit ſich ſelber, al¬
les zu tragen, zu dulden. Nichts iſt zu klein was
ſolche große Seelenkräfte in Anſpruch nimmt, denn eben
dieſe zu üben iſt ja das Große; und verſäumen kann
man nicht das Höhere um das Geringere, denn eben
daß an das Geringe alle Seelenkraft gewendet werde,
mit Fürſorge gleich der des Lebenſpenders, das iſt das
wahre Opfer was uns göttlich macht. „Man muß al¬
les dem lieben Gott überlaſſen“ ſagen die guten Chri¬
ſten — ja wohl, von ihm nehme ich an was er mir
zuerſt entgegenſendet, wozu die erſte Regung meines
Geiſtes mich mahnt, und laß aus dem Zeitenſtrom mich
dahinſchwimmen den er mir geſchenkt, und ob ich da
früheres verſäume oder größeres, das kann ich nicht
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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