sich abmühen was Genie sei, sie kenne kein größeres Genie als in dieser Macht über sich selber, und daß die endlich über alles sich ausbreite, da man alles be¬ herrschen könne wenn man sich selber nicht mit Zaum und Gebiß durchgehe, "wie Du, kleines Mädele", sagte sie zu mir, "so steil hinansprengst mit den Füßen wie mit dem Geist und der Großmama Schwindel machst"; -- und wenn je große Herrscher gewesen, so wären sie durch diese Geisteskraft allein hervorgebildet worden, die sie in einem früheren Leben genöthigt waren zu üben. -- Die Großmama glaubt, die Seele, das We¬ sen des Menschen gehe aus einem Geistessamen in ein ander Leben über, dieser Same sei was er wäh¬ rend einem Leben in sich reife, und dann sich durch all¬ mählige Erkenntniß, durch geübtere Fähigkeiten immer in höhere Sphären erzeuge. Dann erzählte sie mir von dem Ahnherrn unseres Großvaters, der im dreißigjähri¬ gen Krieg sei auf dem Schlachtfeld gefunden, bei Dutt¬ lingen, wo die Franzosen eine große Niederlage erlit¬ ten, als Fahnenjunker die Fahne um den Leib gewik¬ kelt, und die Stange durch Brust und Leib gestoßen und eingehauen, und sein Bruder auch todt über ihm gelegen, der hat die Fahne schützen wollen, und mit
ſich abmühen was Genie ſei, ſie kenne kein größeres Genie als in dieſer Macht über ſich ſelber, und daß die endlich über alles ſich ausbreite, da man alles be¬ herrſchen könne wenn man ſich ſelber nicht mit Zaum und Gebiß durchgehe, „wie Du, kleines Mädele“, ſagte ſie zu mir, „ſo ſteil hinanſprengſt mit den Füßen wie mit dem Geiſt und der Großmama Schwindel machſt“; — und wenn je große Herrſcher geweſen, ſo wären ſie durch dieſe Geiſteskraft allein hervorgebildet worden, die ſie in einem früheren Leben genöthigt waren zu üben. — Die Großmama glaubt, die Seele, das We¬ ſen des Menſchen gehe aus einem Geiſtesſamen in ein ander Leben über, dieſer Same ſei was er wäh¬ rend einem Leben in ſich reife, und dann ſich durch all¬ mählige Erkenntniß, durch geübtere Fähigkeiten immer in höhere Sphären erzeuge. Dann erzählte ſie mir von dem Ahnherrn unſeres Großvaters, der im dreißigjähri¬ gen Krieg ſei auf dem Schlachtfeld gefunden, bei Dutt¬ lingen, wo die Franzoſen eine große Niederlage erlit¬ ten, als Fahnenjunker die Fahne um den Leib gewik¬ kelt, und die Stange durch Bruſt und Leib geſtoßen und eingehauen, und ſein Bruder auch todt über ihm gelegen, der hat die Fahne ſchützen wollen, und mit
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ſich abmühen was Genie ſei, ſie kenne kein größeres
Genie als in dieſer Macht über ſich ſelber, und daß
die endlich über alles ſich ausbreite, da man alles be¬
herrſchen könne wenn man ſich ſelber nicht mit Zaum
und Gebiß durchgehe, „wie Du, kleines Mädele“, ſagte
ſie zu mir, „ſo ſteil hinanſprengſt mit den Füßen wie
mit dem Geiſt und der Großmama Schwindel machſt“;
— und wenn je große Herrſcher geweſen, ſo wären ſie
durch dieſe Geiſteskraft allein hervorgebildet worden,
die ſie in einem früheren Leben genöthigt waren zu
üben. — Die Großmama glaubt, die Seele, das We¬
ſen des Menſchen gehe aus einem Geiſtesſamen in
ein ander Leben über, dieſer Same ſei was er wäh¬
rend einem Leben in ſich reife, und dann ſich durch all¬
mählige Erkenntniß, durch geübtere Fähigkeiten immer
in höhere Sphären erzeuge. Dann erzählte ſie mir von
dem Ahnherrn unſeres Großvaters, der im dreißigjähri¬
gen Krieg ſei auf dem Schlachtfeld gefunden, bei Dutt¬
lingen, wo die Franzoſen eine große Niederlage erlit¬
ten, als Fahnenjunker die Fahne um den Leib gewik¬
kelt, und die Stange durch Bruſt und Leib geſtoßen
und eingehauen, und ſein Bruder auch todt über ihm
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/296>, abgerufen am 23.11.2024.
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