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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840.

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einzige zu betrügen was ihm Widerstand leisten kann,
um den Stahl im Blut, der übergeht in den Geist, und
den fest macht daß er thun kann was er will. Weis¬
heit und Tapferkeit! der Mensch will immer die Weis¬
heit, er hat aber den Muth nicht sie durchzusetzen.
Eins bedingt das Andere, denn wenn der Muth dazu
wäre, so wär auch die Weisheit da. Denn es ist nicht
möglich, daß wenn Kraft in der Seele ist das Höchste
zu thun, daß in ihr nicht auch der Same der Weisheit
aufblühen sollte, der das höchste Thun lehrt. Wer
zum Beispiel Muth hat das Geld zu verachten, der
wird bald auch Weisheit haben zu erkennen welch
fürchterlicher Wahnsinn aus diesem grausamen Vorur¬
theil hervorschießt, und wie Reichthum und Macht so sehr
sehr arm sind. Weisheit und Tapferkeit müssen einander
unterstützen. Ach in unserer Religion soll die Tapfer¬
keit obenan stehen, -- denn wenn wir nur darüber wa¬
chen daß wir kühn genug sind das Große zu thun
und die Vorurtheile nicht zu achten, so wird aus jeder
That immer eine höhere Erkenntniß steigen die uns zur
nächsten That vorbereitet, und wir werden bald Dinge
beweisen die kein Mensch noch glaubt. Zum Beispiel man
kann nicht von der Luft leben! -- Ei das könnt doch
sehr möglich sein, und es ist eine sehr dumme Behaup¬

einzige zu betrügen was ihm Widerſtand leiſten kann,
um den Stahl im Blut, der übergeht in den Geiſt, und
den feſt macht daß er thun kann was er will. Weis¬
heit und Tapferkeit! der Menſch will immer die Weis¬
heit, er hat aber den Muth nicht ſie durchzuſetzen.
Eins bedingt das Andere, denn wenn der Muth dazu
wäre, ſo wär auch die Weisheit da. Denn es iſt nicht
möglich, daß wenn Kraft in der Seele iſt das Höchſte
zu thun, daß in ihr nicht auch der Same der Weisheit
aufblühen ſollte, der das höchſte Thun lehrt. Wer
zum Beiſpiel Muth hat das Geld zu verachten, der
wird bald auch Weisheit haben zu erkennen welch
fürchterlicher Wahnſinn aus dieſem grauſamen Vorur¬
theil hervorſchießt, und wie Reichthum und Macht ſo ſehr
ſehr arm ſind. Weisheit und Tapferkeit müſſen einander
unterſtützen. Ach in unſerer Religion ſoll die Tapfer¬
keit obenan ſtehen, — denn wenn wir nur darüber wa¬
chen daß wir kühn genug ſind das Große zu thun
und die Vorurtheile nicht zu achten, ſo wird aus jeder
That immer eine höhere Erkenntniß ſteigen die uns zur
nächſten That vorbereitet, und wir werden bald Dinge
beweiſen die kein Menſch noch glaubt. Zum Beiſpiel man
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[266/0282] einzige zu betrügen was ihm Widerſtand leiſten kann, um den Stahl im Blut, der übergeht in den Geiſt, und den feſt macht daß er thun kann was er will. Weis¬ heit und Tapferkeit! der Menſch will immer die Weis¬ heit, er hat aber den Muth nicht ſie durchzuſetzen. Eins bedingt das Andere, denn wenn der Muth dazu wäre, ſo wär auch die Weisheit da. Denn es iſt nicht möglich, daß wenn Kraft in der Seele iſt das Höchſte zu thun, daß in ihr nicht auch der Same der Weisheit aufblühen ſollte, der das höchſte Thun lehrt. Wer zum Beiſpiel Muth hat das Geld zu verachten, der wird bald auch Weisheit haben zu erkennen welch fürchterlicher Wahnſinn aus dieſem grauſamen Vorur¬ theil hervorſchießt, und wie Reichthum und Macht ſo ſehr ſehr arm ſind. Weisheit und Tapferkeit müſſen einander unterſtützen. Ach in unſerer Religion ſoll die Tapfer¬ keit obenan ſtehen, — denn wenn wir nur darüber wa¬ chen daß wir kühn genug ſind das Große zu thun und die Vorurtheile nicht zu achten, ſo wird aus jeder That immer eine höhere Erkenntniß ſteigen die uns zur nächſten That vorbereitet, und wir werden bald Dinge beweiſen die kein Menſch noch glaubt. Zum Beiſpiel man kann nicht von der Luft leben! — Ei das könnt doch ſehr möglich ſein, und es iſt eine ſehr dumme Behaup¬

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/282>, abgerufen am 27.11.2024.