das geht so weit in mir, daß ich die Leute um Verzei¬ hung bitte, die mir unrecht gethan haben, aus Furcht sie möchtens merken. So kann ich durchaus nicht ertra¬ gen, daß einer glaube, ich könne Zweifel in ihn setzen, ich lache lieber kindisch zu allem was man mir entgeg¬ net, ich mag nicht dulden, daß die, welche ich doch nicht eines Bessern überzeugen kann, noch den Wahn von mir hegen, ich sei gescheuter als sie. Wenn sich zwei verstehen sollen, dazu gehört lebenvolles Wirken von einem dritten Göttlichen. So nehm ich auch un¬ ser Seyn an, als ein Geschenk von den Göttern, in dem sie selber die vergnüglichste Rolle spielen; aber meine innere Fühlungen, folgelosen Behauptungen aus¬ stellen, dazu leiht mir weder die blauäugige Minerva, noch Areus der Streitbare*)Beistand. Ich gebe Dir aber recht, es wäre besser ich könnte mich mann¬ hafter betragen, und dürfte diesen großmächtigen Weltsinn in dem Sittenleben mit andern nicht mir untergehen lassen. Aber was willst Du mit einer so Zaghaften aufstellen, die sich immer noch fürchtet im Stift das Tischgebet laut genug herzusagen. -- Lasse mich und vertrage mich wie ich bin, hab ich das Herz
*) Dem die Jungfrauen einen Widder opferten, wenn sie öf¬ fentlich einen Wettlauf hielten.
das geht ſo weit in mir, daß ich die Leute um Verzei¬ hung bitte, die mir unrecht gethan haben, aus Furcht ſie möchtens merken. So kann ich durchaus nicht ertra¬ gen, daß einer glaube, ich könne Zweifel in ihn ſetzen, ich lache lieber kindiſch zu allem was man mir entgeg¬ net, ich mag nicht dulden, daß die, welche ich doch nicht eines Beſſern überzeugen kann, noch den Wahn von mir hegen, ich ſei geſcheuter als ſie. Wenn ſich zwei verſtehen ſollen, dazu gehört lebenvolles Wirken von einem dritten Göttlichen. So nehm ich auch un¬ ſer Seyn an, als ein Geſchenk von den Göttern, in dem ſie ſelber die vergnüglichſte Rolle ſpielen; aber meine innere Fühlungen, folgeloſen Behauptungen aus¬ ſtellen, dazu leiht mir weder die blauäugige Minerva, noch Areus der Streitbare*)Beiſtand. Ich gebe Dir aber recht, es wäre beſſer ich könnte mich mann¬ hafter betragen, und dürfte dieſen großmächtigen Weltſinn in dem Sittenleben mit andern nicht mir untergehen laſſen. Aber was willſt Du mit einer ſo Zaghaften aufſtellen, die ſich immer noch fürchtet im Stift das Tiſchgebet laut genug herzuſagen. — Laſſe mich und vertrage mich wie ich bin, hab ich das Herz
*) Dem die Jungfrauen einen Widder opferten, wenn ſie öf¬ fentlich einen Wettlauf hielten.
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das geht ſo weit in mir, daß ich die Leute um Verzei¬
hung bitte, die mir unrecht gethan haben, aus Furcht
ſie möchtens merken. So kann ich durchaus nicht ertra¬
gen, daß einer glaube, ich könne Zweifel in ihn ſetzen,
ich lache lieber kindiſch zu allem was man mir entgeg¬
net, ich mag nicht dulden, daß die, welche ich doch
nicht eines Beſſern überzeugen kann, noch den Wahn
von mir hegen, ich ſei geſcheuter als ſie. Wenn ſich
zwei verſtehen ſollen, dazu gehört lebenvolles Wirken
von einem dritten Göttlichen. So nehm ich auch un¬
ſer Seyn an, als ein Geſchenk von den Göttern,
in dem ſie ſelber die vergnüglichſte Rolle ſpielen; aber
meine innere Fühlungen, folgeloſen Behauptungen aus¬
ſtellen, dazu leiht mir weder die blauäugige Minerva,
noch Areus der Streitbare *)Beiſtand. Ich gebe
Dir aber recht, es wäre beſſer ich könnte mich mann¬
hafter betragen, und dürfte dieſen großmächtigen
Weltſinn in dem Sittenleben mit andern nicht
mir untergehen laſſen. Aber was willſt Du mit einer
ſo Zaghaften aufſtellen, die ſich immer noch fürchtet im
Stift das Tiſchgebet laut genug herzuſagen. — Laſſe
mich und vertrage mich wie ich bin, hab ich das Herz
*)
Dem die Jungfrauen einen Widder opferten, wenn ſie öf¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/274>, abgerufen am 26.11.2024.
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