es war ein Geschenk von Gott, -- Heut lese ich das wieder, und ich möcht Dir alles zu Lieb thun, und sags mirs lieber nicht, wenn Du mit andern Menschen auch gut bist. Das heißt: sei mit andern was Du willst, nur laß das uns nichts angehen. Wir müssen uns mit einan¬ der abschließen, in der Natur, da müssen wir Hand in Hand gehen und mit einander sprechen nicht von Din¬ gen, sondern eine große Sprache. Mit dem Lernen wirds nichts, ich kanns nicht brauchen, was soll ich ler¬ nen was andere schon wissen, das geht ja doch nicht verloren, aber das was grad nur uns zu Lieb geschieht, das möcht ich nicht versäumen mit Dir auch zu erleben, und dann möcht ich auch mit Dir all das überflüssige Weltzeugs abstreifen, denn eigentlich ist doch nur alles comme il faut eine himmelschreiende Ungerechtigkeit ge¬ gen die große Stimme der Poesie in uns, die weist die Seele auf alles Rechte an. Einmal ist mir die Höflich¬ keit zuwider die sich immer neigt vor andern und doch keinen Verkehr mit einem hat, als ob das unhöflich wär, dem auszuweichen der einem nichts angeht; -- wär die Natur so verkehrt, so intrigant und unsinnig wie die Menschen sind, es könnte kein Erdapfel reifen, viel weniger denn ein Baum blühen, alles ist die reine Folge der Großmuth in der Natur, jede Kornähre die
es war ein Geſchenk von Gott, — Heut leſe ich das wieder, und ich möcht Dir alles zu Lieb thun, und ſags mirs lieber nicht, wenn Du mit andern Menſchen auch gut biſt. Das heißt: ſei mit andern was Du willſt, nur laß das uns nichts angehen. Wir müſſen uns mit einan¬ der abſchließen, in der Natur, da müſſen wir Hand in Hand gehen und mit einander ſprechen nicht von Din¬ gen, ſondern eine große Sprache. Mit dem Lernen wirds nichts, ich kanns nicht brauchen, was ſoll ich ler¬ nen was andere ſchon wiſſen, das geht ja doch nicht verloren, aber das was grad nur uns zu Lieb geſchieht, das möcht ich nicht verſäumen mit Dir auch zu erleben, und dann möcht ich auch mit Dir all das überflüſſige Weltzeugs abſtreifen, denn eigentlich iſt doch nur alles comme il faut eine himmelſchreiende Ungerechtigkeit ge¬ gen die große Stimme der Poeſie in uns, die weiſt die Seele auf alles Rechte an. Einmal iſt mir die Höflich¬ keit zuwider die ſich immer neigt vor andern und doch keinen Verkehr mit einem hat, als ob das unhöflich wär, dem auszuweichen der einem nichts angeht; — wär die Natur ſo verkehrt, ſo intrigant und unſinnig wie die Menſchen ſind, es könnte kein Erdapfel reifen, viel weniger denn ein Baum blühen, alles iſt die reine Folge der Großmuth in der Natur, jede Kornähre die
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es war ein Geſchenk von Gott, — Heut leſe ich das
wieder, und ich möcht Dir alles zu Lieb thun, und ſags
mirs lieber nicht, wenn Du mit andern Menſchen auch
gut biſt. Das heißt: ſei mit andern was Du willſt, nur
laß das uns nichts angehen. Wir müſſen uns mit einan¬
der abſchließen, in der Natur, da müſſen wir Hand in
Hand gehen und mit einander ſprechen nicht von Din¬
gen, ſondern eine große Sprache. Mit dem Lernen
wirds nichts, ich kanns nicht brauchen, was ſoll ich ler¬
nen was andere ſchon wiſſen, das geht ja doch nicht
verloren, aber das was grad nur uns zu Lieb geſchieht,
das möcht ich nicht verſäumen mit Dir auch zu erleben,
und dann möcht ich auch mit Dir all das überflüſſige
Weltzeugs abſtreifen, denn eigentlich iſt doch nur alles
comme il faut eine himmelſchreiende Ungerechtigkeit ge¬
gen die große Stimme der Poeſie in uns, die weiſt die
Seele auf alles Rechte an. Einmal iſt mir die Höflich¬
keit zuwider die ſich immer neigt vor andern und doch
keinen Verkehr mit einem hat, als ob das unhöflich
wär, dem auszuweichen der einem nichts angeht; —
wär die Natur ſo verkehrt, ſo intrigant und unſinnig
wie die Menſchen ſind, es könnte kein Erdapfel reifen,
viel weniger denn ein Baum blühen, alles iſt die reine
Folge der Großmuth in der Natur, jede Kornähre die
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/262>, abgerufen am 25.11.2024.
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