sinnig drüber werden mußte. Wenn ich bedenk -- wel¬ cher Anklang in seiner Sprache! -- Die Gedichte die mir St. Clair von ihm vorlas -- zerstreut in einzelnen Ka¬ lendern -- ach was ist doch die Sprache für ein heilig Wesen. Er war mit ihr verbündet, sie hat ihm ihren heimlichsten innigsten Reiz geschenkt, nicht wie dem Goethe durch die unangetastete Innigkeit des Gefühls, sondern durch ihren persönlichen Umgang. So wahr! er muß die Sprache geküßt haben. -- Ja so gehts, wer mit den Göttern zu nah verkehrt, dem wenden sies zum Elend.
St. Clair gab mir den Oedipus den Hölderlin aus dem Griechischen übersetzt hat, er sagte man könne ihn so wenig verstehen oder wolle ihn so übel verstehen daß man die Sprache für Spuren von Verrücktheit erklärt, so wenig verstehen die Deutschen was ihre Sprache Herr¬ liches hat. -- Ich hab nun auf seine Veranlassung die¬ sen Oedipus studirt; ich sag Dir, gewiß, auf Spuren hat er mich geleitet, nicht der Sprache, die schreitet so tönend, so alles Leiden, jeden Gewaltausdruck in ihr Organ aufnehmend, sie und sie allein bewegt die Seele daß wir mit dem Oedipus klagen müssen, tief tief. -- Ja es geht mir durch die Seele, sie muß mittönen wie die Sprache tönt, Aber wie mir das Schmerzliche im Leben zu kränkend auf die Seele fällt, daß ich fühl
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ſinnig drüber werden mußte. Wenn ich bedenk — wel¬ cher Anklang in ſeiner Sprache! — Die Gedichte die mir St. Clair von ihm vorlas — zerſtreut in einzelnen Ka¬ lendern — ach was iſt doch die Sprache für ein heilig Weſen. Er war mit ihr verbündet, ſie hat ihm ihren heimlichſten innigſten Reiz geſchenkt, nicht wie dem Goethe durch die unangetaſtete Innigkeit des Gefühls, ſondern durch ihren perſönlichen Umgang. So wahr! er muß die Sprache geküßt haben. — Ja ſo gehts, wer mit den Göttern zu nah verkehrt, dem wenden ſies zum Elend.
St. Clair gab mir den Oedipus den Hölderlin aus dem Griechiſchen überſetzt hat, er ſagte man könne ihn ſo wenig verſtehen oder wolle ihn ſo übel verſtehen daß man die Sprache für Spuren von Verrücktheit erklärt, ſo wenig verſtehen die Deutſchen was ihre Sprache Herr¬ liches hat. — Ich hab nun auf ſeine Veranlaſſung die¬ ſen Oedipus ſtudirt; ich ſag Dir, gewiß, auf Spuren hat er mich geleitet, nicht der Sprache, die ſchreitet ſo tönend, ſo alles Leiden, jeden Gewaltausdruck in ihr Organ aufnehmend, ſie und ſie allein bewegt die Seele daß wir mit dem Oedipus klagen müſſen, tief tief. — Ja es geht mir durch die Seele, ſie muß mittönen wie die Sprache tönt, Aber wie mir das Schmerzliche im Leben zu kränkend auf die Seele fällt, daß ich fühl
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ſinnig drüber werden mußte. Wenn ich bedenk — wel¬
cher Anklang in ſeiner Sprache! — Die Gedichte die mir
St. Clair von ihm vorlas — zerſtreut in einzelnen Ka¬
lendern — ach was iſt doch die Sprache für ein heilig
Weſen. Er war mit ihr verbündet, ſie hat ihm ihren
heimlichſten innigſten Reiz geſchenkt, nicht wie dem Goethe
durch die unangetaſtete Innigkeit des Gefühls, ſondern
durch ihren perſönlichen Umgang. So wahr! er muß die
Sprache geküßt haben. — Ja ſo gehts, wer mit den
Göttern zu nah verkehrt, dem wenden ſies zum Elend.
St. Clair gab mir den Oedipus den Hölderlin aus
dem Griechiſchen überſetzt hat, er ſagte man könne ihn ſo
wenig verſtehen oder wolle ihn ſo übel verſtehen daß
man die Sprache für Spuren von Verrücktheit erklärt, ſo
wenig verſtehen die Deutſchen was ihre Sprache Herr¬
liches hat. — Ich hab nun auf ſeine Veranlaſſung die¬
ſen Oedipus ſtudirt; ich ſag Dir, gewiß, auf Spuren
hat er mich geleitet, nicht der Sprache, die ſchreitet ſo
tönend, ſo alles Leiden, jeden Gewaltausdruck in ihr
Organ aufnehmend, ſie und ſie allein bewegt die Seele
daß wir mit dem Oedipus klagen müſſen, tief tief. —
Ja es geht mir durch die Seele, ſie muß mittönen wie
die Sprache tönt, Aber wie mir das Schmerzliche im
Leben zu kränkend auf die Seele fällt, daß ich fühl
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/241>, abgerufen am 24.11.2024.
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