ist nicht ausgeplaudert, mich lockts, damit es nicht ver¬ gessen sein soll, daß ich Dirs vertraut hab.
Nr. 2. Am Abend.
Heut ist der Jud erst um sieben Uhr kommen.
Mit der Großmama bin ich im besten Vernehmen, so lang die Tante im Bad ist bleib ich hier, es gefällt ihr, daß ich gern bei ihr bleib, ich hab aber noch so manch andres was mich anzieht, wovon sie nichts weiß. Heut Morgen kam ich dazu wie der Bernhards Gärt¬ ner mit einem Nelkenheber die dunkelrothen Nelken in einen Kreis um einen Berg von weißen Lilien versetzte, in der Mitte stand ein Rosenbusch. Diese Früharbeit gefiel mir wohl und hab mit Andacht dabei geholfen, der Dienst der Natur, der ist wie Tempeldienst. Wenn der Knabe Jon vor die Tempelhalle tritt, und die zie¬ henden Störche bedeutet, daß sie ihm die Zinne des Tempels nicht verunreinigen sollen, wenn er dann die Schwelle mit kühler Fluth besprengt, die Halle fegt und schmückt, so fühl ich in diesem einsamen Tagwerk ein hohes Geschick, vor dem ich Ehrfurcht habe. Ach ich möcht ein Knab sein, Wasser holen in der Morgenfrische, wenn alles noch schläft, den Marmor poliren von den Säulen, meine Götterbilder still bedeutsam waschen, und
9**
iſt nicht ausgeplaudert, mich lockts, damit es nicht ver¬ geſſen ſein ſoll, daß ich Dirs vertraut hab.
Nr. 2. Am Abend.
Heut iſt der Jud erſt um ſieben Uhr kommen.
Mit der Großmama bin ich im beſten Vernehmen, ſo lang die Tante im Bad iſt bleib ich hier, es gefällt ihr, daß ich gern bei ihr bleib, ich hab aber noch ſo manch andres was mich anzieht, wovon ſie nichts weiß. Heut Morgen kam ich dazu wie der Bernhards Gärt¬ ner mit einem Nelkenheber die dunkelrothen Nelken in einen Kreis um einen Berg von weißen Lilien verſetzte, in der Mitte ſtand ein Roſenbuſch. Dieſe Früharbeit gefiel mir wohl und hab mit Andacht dabei geholfen, der Dienſt der Natur, der iſt wie Tempeldienſt. Wenn der Knabe Jon vor die Tempelhalle tritt, und die zie¬ henden Störche bedeutet, daß ſie ihm die Zinne des Tempels nicht verunreinigen ſollen, wenn er dann die Schwelle mit kühler Fluth beſprengt, die Halle fegt und ſchmückt, ſo fühl ich in dieſem einſamen Tagwerk ein hohes Geſchick, vor dem ich Ehrfurcht habe. Ach ich möcht ein Knab ſein, Waſſer holen in der Morgenfriſche, wenn alles noch ſchläft, den Marmor poliren von den Säulen, meine Götterbilder ſtill bedeutſam waſchen, und
9**
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0217"n="201"/>
iſt nicht ausgeplaudert, mich lockts, damit es nicht ver¬<lb/>
geſſen ſein ſoll, daß ich Dirs vertraut hab.</p><lb/><prendition="#right">Nr. 2. Am Abend.</p><lb/><p>Heut iſt der Jud erſt um ſieben Uhr kommen.</p><lb/><p>Mit der Großmama bin ich im beſten Vernehmen,<lb/>ſo lang die Tante im Bad iſt bleib ich hier, es gefällt<lb/>
ihr, daß ich gern bei ihr bleib, ich hab aber noch ſo<lb/>
manch andres was mich anzieht, wovon ſie nichts weiß.<lb/>
Heut Morgen kam ich dazu wie der Bernhards Gärt¬<lb/>
ner mit einem Nelkenheber die dunkelrothen Nelken in<lb/>
einen Kreis um einen Berg von weißen Lilien verſetzte,<lb/>
in der Mitte ſtand ein Roſenbuſch. Dieſe Früharbeit<lb/>
gefiel mir wohl und hab mit Andacht dabei geholfen,<lb/>
der Dienſt der Natur, der iſt wie Tempeldienſt. Wenn<lb/>
der Knabe Jon vor die Tempelhalle tritt, und die zie¬<lb/>
henden Störche bedeutet, daß ſie ihm die Zinne des<lb/>
Tempels nicht verunreinigen ſollen, wenn er dann die<lb/>
Schwelle mit kühler Fluth beſprengt, die Halle fegt und<lb/>ſchmückt, ſo fühl ich in dieſem einſamen Tagwerk ein<lb/>
hohes Geſchick, vor dem ich Ehrfurcht habe. Ach ich<lb/>
möcht ein Knab ſein, Waſſer holen in der Morgenfriſche,<lb/>
wenn alles noch ſchläft, den Marmor poliren von den<lb/>
Säulen, meine Götterbilder ſtill bedeutſam waſchen, und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">9**<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[201/0217]
iſt nicht ausgeplaudert, mich lockts, damit es nicht ver¬
geſſen ſein ſoll, daß ich Dirs vertraut hab.
Nr. 2. Am Abend.
Heut iſt der Jud erſt um ſieben Uhr kommen.
Mit der Großmama bin ich im beſten Vernehmen,
ſo lang die Tante im Bad iſt bleib ich hier, es gefällt
ihr, daß ich gern bei ihr bleib, ich hab aber noch ſo
manch andres was mich anzieht, wovon ſie nichts weiß.
Heut Morgen kam ich dazu wie der Bernhards Gärt¬
ner mit einem Nelkenheber die dunkelrothen Nelken in
einen Kreis um einen Berg von weißen Lilien verſetzte,
in der Mitte ſtand ein Roſenbuſch. Dieſe Früharbeit
gefiel mir wohl und hab mit Andacht dabei geholfen,
der Dienſt der Natur, der iſt wie Tempeldienſt. Wenn
der Knabe Jon vor die Tempelhalle tritt, und die zie¬
henden Störche bedeutet, daß ſie ihm die Zinne des
Tempels nicht verunreinigen ſollen, wenn er dann die
Schwelle mit kühler Fluth beſprengt, die Halle fegt und
ſchmückt, ſo fühl ich in dieſem einſamen Tagwerk ein
hohes Geſchick, vor dem ich Ehrfurcht habe. Ach ich
möcht ein Knab ſein, Waſſer holen in der Morgenfriſche,
wenn alles noch ſchläft, den Marmor poliren von den
Säulen, meine Götterbilder ſtill bedeutſam waſchen, und
9**
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/217>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.