mehr, die ich vier Jahr lang jeden Tag hersagte. Das Vaterunser, den Glauben, den englischen Gruß kann ich nur noch bruchstückweis; den ganzen Sommerabend, auf den ich so lüstern war, hab ich versimulirt, um den Glauben wieder zusammen zu flicken: "Aufgefah¬ ren zu den Himmeln" -- so weit, -- schreibe mirs im nächsten Brief, was folgt. -- Aber im Grund: -- Auf¬ gefahren zu den Himmeln, wär ein gut End, wenn Du's also auch vergessen hast, so schad's nichts, so brau¬ chen wir beide es nicht zu wissen; aber nachkommen thut noch was, das weiß ich. --
Samstag.
Ach gestern war ein Tag voll Sonnenschein, die Mückchen und Käfer haben ihn vertanzt und versummt, die verstehn das Schwelgen im Genuß; ich hab sie be¬ lauscht, im hohen Gras überbaut von der Leinwand, die da auf der Bleiche liegt. Die alte Cousine begoß sie ein paarmal in der Mittagsgluth, es dauerte eine Weile bis die einzelnen Tropfen durchkamen und mich benez¬ ten, ich hörte da unten der Musikprobe zu von den Symphonien, die aus dem Boskett herüberschallten in mein ungebildet Ohr, und es in Erstaunen setzten über alles was es nicht fassen konnt. Musik, -- in Tönen da¬
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mehr, die ich vier Jahr lang jeden Tag herſagte. Das Vaterunſer, den Glauben, den engliſchen Gruß kann ich nur noch bruchſtückweis; den ganzen Sommerabend, auf den ich ſo lüſtern war, hab ich verſimulirt, um den Glauben wieder zuſammen zu flicken: „Aufgefah¬ ren zu den Himmeln“ — ſo weit, — ſchreibe mirs im nächſten Brief, was folgt. — Aber im Grund: — Auf¬ gefahren zu den Himmeln, wär ein gut End, wenn Du's alſo auch vergeſſen haſt, ſo ſchad's nichts, ſo brau¬ chen wir beide es nicht zu wiſſen; aber nachkommen thut noch was, das weiß ich. —
Samstag.
Ach geſtern war ein Tag voll Sonnenſchein, die Mückchen und Käfer haben ihn vertanzt und verſummt, die verſtehn das Schwelgen im Genuß; ich hab ſie be¬ lauſcht, im hohen Gras überbaut von der Leinwand, die da auf der Bleiche liegt. Die alte Couſine begoß ſie ein paarmal in der Mittagsgluth, es dauerte eine Weile bis die einzelnen Tropfen durchkamen und mich benez¬ ten, ich hörte da unten der Muſikprobe zu von den Symphonien, die aus dem Boskett herüberſchallten in mein ungebildet Ohr, und es in Erſtaunen ſetzten über alles was es nicht faſſen konnt. Muſik, — in Tönen da¬
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mehr, die ich vier Jahr lang jeden Tag herſagte. Das
Vaterunſer, den Glauben, den engliſchen Gruß kann
ich nur noch bruchſtückweis; den ganzen Sommerabend,
auf den ich ſo lüſtern war, hab ich verſimulirt, um
den Glauben wieder zuſammen zu flicken: „Aufgefah¬
ren zu den Himmeln“ — ſo weit, — ſchreibe mirs im
nächſten Brief, was folgt. — Aber im Grund: — Auf¬
gefahren zu den Himmeln, wär ein gut End, wenn
Du's alſo auch vergeſſen haſt, ſo ſchad's nichts, ſo brau¬
chen wir beide es nicht zu wiſſen; aber nachkommen
thut noch was, das weiß ich. —
Samstag.
Ach geſtern war ein Tag voll Sonnenſchein, die
Mückchen und Käfer haben ihn vertanzt und verſummt,
die verſtehn das Schwelgen im Genuß; ich hab ſie be¬
lauſcht, im hohen Gras überbaut von der Leinwand, die
da auf der Bleiche liegt. Die alte Couſine begoß ſie
ein paarmal in der Mittagsgluth, es dauerte eine Weile
bis die einzelnen Tropfen durchkamen und mich benez¬
ten, ich hörte da unten der Muſikprobe zu von den
Symphonien, die aus dem Boskett herüberſchallten in
mein ungebildet Ohr, und es in Erſtaunen ſetzten über
alles was es nicht faſſen konnt. Muſik, — in Tönen da¬
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/187>, abgerufen am 25.11.2024.
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