ramiden fortschimmeln. -- Frühling schwellet die Erde, ringsum drängt er die Keime -- und grünt in entfal¬ tenen Blättern -- drängt auch wohl meinen Sinn, be¬ rauschet mir schwellend die Lippe, daß in erneuerter Sonne die spröden Hüllen und Knospen meiner Gedan¬ ken zerbersten. -- Ich war heut Morgen im Wald, an der Chaussee schon mit der Morgenröth, die eine Saf¬ franbinde um seine Wipfel legte, der feuchte Grund wechselte die blauen Vergißmeinnichtbeete mit den gold¬ nen Butterblumen, es war so feucht, so warm, so moosig, es war so brennend im Gesicht, und so kühlig am Boden.
Der Thau war so stark, ich war ganz naß gewor¬ den; als ich nach Hause kam, da trat mir der Lehrer schon mit dem achtzehnhundertsten Jahr der Welt entgegen, wo Nimrod Babylonien gestiftet. Ich wollte nicht fragen, wer der Nimrod war, aus Furcht er möcht mirs sagen, und es wär eben auch unnütz, es zu wissen. Wenn nun der Nimrod ein guter Kerl war, um den es schad wär und der mir besser gefallen könnt, als die jetzigen Menschen, so wollt ich ihm wohl die Dauer der Unsterblichkeit gönnen, aber der Lehrer jagte gleich den Assyrer Ninus hinter drein, der das Reich erobert, von wo er Mittelasien beherrscht, ich jagte also ohne
Auf¬
ramiden fortſchimmeln. — Frühling ſchwellet die Erde, ringsum drängt er die Keime — und grünt in entfal¬ tenen Blättern — drängt auch wohl meinen Sinn, be¬ rauſchet mir ſchwellend die Lippe, daß in erneuerter Sonne die ſpröden Hüllen und Knoſpen meiner Gedan¬ ken zerberſten. — Ich war heut Morgen im Wald, an der Chauſſee ſchon mit der Morgenröth, die eine Saf¬ franbinde um ſeine Wipfel legte, der feuchte Grund wechſelte die blauen Vergißmeinnichtbeete mit den gold¬ nen Butterblumen, es war ſo feucht, ſo warm, ſo mooſig, es war ſo brennend im Geſicht, und ſo kühlig am Boden.
Der Thau war ſo ſtark, ich war ganz naß gewor¬ den; als ich nach Hauſe kam, da trat mir der Lehrer ſchon mit dem achtzehnhundertſten Jahr der Welt entgegen, wo Nimrod Babylonien geſtiftet. Ich wollte nicht fragen, wer der Nimrod war, aus Furcht er möcht mirs ſagen, und es wär eben auch unnütz, es zu wiſſen. Wenn nun der Nimrod ein guter Kerl war, um den es ſchad wär und der mir beſſer gefallen könnt, als die jetzigen Menſchen, ſo wollt ich ihm wohl die Dauer der Unſterblichkeit gönnen, aber der Lehrer jagte gleich den Aſſyrer Ninus hinter drein, der das Reich erobert, von wo er Mittelaſien beherrſcht, ich jagte alſo ohne
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ramiden fortſchimmeln. — Frühling ſchwellet die Erde,
ringsum drängt er die Keime — und grünt in entfal¬
tenen Blättern — drängt auch wohl meinen Sinn, be¬
rauſchet mir ſchwellend die Lippe, daß in erneuerter
Sonne die ſpröden Hüllen und Knoſpen meiner Gedan¬
ken zerberſten. — Ich war heut Morgen im Wald, an
der Chauſſee ſchon mit der Morgenröth, die eine Saf¬
franbinde um ſeine Wipfel legte, der feuchte Grund
wechſelte die blauen Vergißmeinnichtbeete mit den gold¬
nen Butterblumen, es war ſo feucht, ſo warm, ſo
mooſig, es war ſo brennend im Geſicht, und ſo kühlig
am Boden.
Der Thau war ſo ſtark, ich war ganz naß gewor¬
den; als ich nach Hauſe kam, da trat mir der Lehrer
ſchon mit dem achtzehnhundertſten Jahr der Welt
entgegen, wo Nimrod Babylonien geſtiftet. Ich wollte
nicht fragen, wer der Nimrod war, aus Furcht er möcht
mirs ſagen, und es wär eben auch unnütz, es zu wiſſen.
Wenn nun der Nimrod ein guter Kerl war, um den es
ſchad wär und der mir beſſer gefallen könnt, als die
jetzigen Menſchen, ſo wollt ich ihm wohl die Dauer der
Unſterblichkeit gönnen, aber der Lehrer jagte gleich den
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/184>, abgerufen am 25.11.2024.
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