Gestern war Sonntag, heut Morgen war ich gar nicht ärgerlich, wie mich die Hühner aus dem besten Traum gegagst haben, wie als in Frankfurt, wo die Lisbet als grad Holz in Ofen geworfen hat, wie eben ein goldner Vogel mir wollt aus die Hand fliegen. Die Acacien im Hof sind recht gewachsen, sie schneien im Sonnenschein ihr letzt Silber aufs Grün. Der Gar¬ ten lag so Morgentrunken vorm Fenster, ich ging hinab, meinen alten Weg nach der Bretterwand hinter den Pappeln, und kletterte herüber ins Boskett, wo ich Dir hier schreib. -- Daß doch immer meine Kleider reißen, wenn ich recht jauchzend bin. Zank nur nicht, daß ich mein Gewand nicht geschont habe. Dornen- Röschen hat mir ein Fetzchen davon behalten, wie ich versucht hab, ob ich noch zwischen dem Eisengeländer vom Boskett durchwitschen kann; es geht noch, ich hab noch nicht zugenommen an Erdenballast, -- da sitz ich auf der Terraß am Main, auf dem die Wasserspinnen lustig in der Frühsonne herumfahren. Käm der Genius doch daher gewandelt; -- ich könnt ihm mehr nicht sagen, als was die Bienen summen. -- Ist mir doch als ge¬ hör ich zu dem blühenden Zitronenbaum; ist so still
20. Mai.
Geſtern war Sonntag, heut Morgen war ich gar nicht ärgerlich, wie mich die Hühner aus dem beſten Traum gegagſt haben, wie als in Frankfurt, wo die Lisbet als grad Holz in Ofen geworfen hat, wie eben ein goldner Vogel mir wollt aus die Hand fliegen. Die Acacien im Hof ſind recht gewachſen, ſie ſchneien im Sonnenſchein ihr letzt Silber aufs Grün. Der Gar¬ ten lag ſo Morgentrunken vorm Fenſter, ich ging hinab, meinen alten Weg nach der Bretterwand hinter den Pappeln, und kletterte herüber ins Boskett, wo ich Dir hier ſchreib. — Daß doch immer meine Kleider reißen, wenn ich recht jauchzend bin. Zank nur nicht, daß ich mein Gewand nicht geſchont habe. Dornen- Röschen hat mir ein Fetzchen davon behalten, wie ich verſucht hab, ob ich noch zwiſchen dem Eiſengeländer vom Boskett durchwitſchen kann; es geht noch, ich hab noch nicht zugenommen an Erdenballaſt, — da ſitz ich auf der Terraß am Main, auf dem die Waſſerſpinnen luſtig in der Frühſonne herumfahren. Käm der Genius doch daher gewandelt; — ich könnt ihm mehr nicht ſagen, als was die Bienen ſummen. — Iſt mir doch als ge¬ hör ich zu dem blühenden Zitronenbaum; iſt ſo ſtill
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0178"n="162"/><prendition="#right">20. Mai.</p><lb/><p>Geſtern war Sonntag, heut Morgen war ich gar<lb/>
nicht ärgerlich, wie mich die Hühner aus dem beſten<lb/>
Traum gegagſt haben, wie als in Frankfurt, wo die<lb/>
Lisbet als grad Holz in Ofen geworfen hat, wie eben<lb/>
ein goldner Vogel mir wollt aus die Hand fliegen.<lb/>
Die Acacien im Hof ſind recht gewachſen, ſie ſchneien<lb/>
im Sonnenſchein ihr letzt Silber aufs Grün. Der Gar¬<lb/>
ten lag ſo Morgentrunken vorm Fenſter, ich ging hinab,<lb/>
meinen alten Weg nach der Bretterwand hinter den<lb/>
Pappeln, und kletterte herüber ins Boskett, wo ich Dir<lb/>
hier ſchreib. — Daß doch immer meine Kleider reißen,<lb/>
wenn ich recht jauchzend bin. Zank nur nicht, <hirendition="#g">daß<lb/>
ich mein Gewand nicht geſchont habe</hi>. Dornen-<lb/>
Röschen hat mir ein Fetzchen davon behalten, wie ich<lb/>
verſucht hab, ob ich noch zwiſchen dem Eiſengeländer<lb/>
vom Boskett durchwitſchen kann; es geht noch, ich hab<lb/>
noch nicht zugenommen an Erdenballaſt, — da ſitz ich<lb/>
auf der Terraß am Main, auf dem die Waſſerſpinnen<lb/>
luſtig in der Frühſonne herumfahren. Käm der Genius<lb/>
doch daher gewandelt; — ich könnt ihm mehr nicht ſagen,<lb/>
als was die Bienen ſummen. — Iſt mir doch als ge¬<lb/>
hör ich zu dem blühenden Zitronenbaum; iſt ſo ſtill<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[162/0178]
20. Mai.
Geſtern war Sonntag, heut Morgen war ich gar
nicht ärgerlich, wie mich die Hühner aus dem beſten
Traum gegagſt haben, wie als in Frankfurt, wo die
Lisbet als grad Holz in Ofen geworfen hat, wie eben
ein goldner Vogel mir wollt aus die Hand fliegen.
Die Acacien im Hof ſind recht gewachſen, ſie ſchneien
im Sonnenſchein ihr letzt Silber aufs Grün. Der Gar¬
ten lag ſo Morgentrunken vorm Fenſter, ich ging hinab,
meinen alten Weg nach der Bretterwand hinter den
Pappeln, und kletterte herüber ins Boskett, wo ich Dir
hier ſchreib. — Daß doch immer meine Kleider reißen,
wenn ich recht jauchzend bin. Zank nur nicht, daß
ich mein Gewand nicht geſchont habe. Dornen-
Röschen hat mir ein Fetzchen davon behalten, wie ich
verſucht hab, ob ich noch zwiſchen dem Eiſengeländer
vom Boskett durchwitſchen kann; es geht noch, ich hab
noch nicht zugenommen an Erdenballaſt, — da ſitz ich
auf der Terraß am Main, auf dem die Waſſerſpinnen
luſtig in der Frühſonne herumfahren. Käm der Genius
doch daher gewandelt; — ich könnt ihm mehr nicht ſagen,
als was die Bienen ſummen. — Iſt mir doch als ge¬
hör ich zu dem blühenden Zitronenbaum; iſt ſo ſtill
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/178>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.