ich nicht denken kann was ich will, und muß von allem mich irren lassen, wie auf dem Markt, wo man hin und her läuft vom Guckkasten zum Puppenspiel, zum Bär der tanzt, oder mit den Zigeunern mich er¬ götzen am Mainufer, wenns Marktschiff Philister aus¬ speit, und die betrunknen Musikanten schmettern sie hinaus. Allerlei geht mir im Kopf herum, aber wenn ich schreiben will, ist die Luft leer von Gedanken, und die meisten Worte sind überflüssig, ich muß sie wieder wegstreichen, wie hier im Brief. Bei Musik bin ich gesammelt, die Gedanken fahren nicht herum, sie sind still und schauen innerlich Ding, was mich vergnügt. Die Seel wächst, die Knosp springt auf und saugt Mondlicht. -- Eine Weil hört ich zu im Bett, wies Ge¬ witter kam sprang ich heraus und setzte mich aufs Fen¬ ster. -- Musik bringt alles in Einklang, sie donnert durch die hellsternige Nacht ihren gewaltigen Strom, dann tanzt sie hin und grüßt mit jeder Well die Blum, die da heimlich blüht am Ufer. Wenn dann die Wol¬ ken vom Windsturm daher gejagt kommen, dann wer¬ den sie als gleich, als von ihrem Hauch bezaubert; der Regen rollt Perlen unter ihren tanzenden Schritt, beim leuchtenden Blitz vom Donner durch die schwarze Nacht geschnellt, die er mit schallenden Schwingen durchrast,
ich nicht denken kann was ich will, und muß von allem mich irren laſſen, wie auf dem Markt, wo man hin und her läuft vom Guckkaſten zum Puppenſpiel, zum Bär der tanzt, oder mit den Zigeunern mich er¬ götzen am Mainufer, wenns Marktſchiff Philiſter aus¬ ſpeit, und die betrunknen Muſikanten ſchmettern ſie hinaus. Allerlei geht mir im Kopf herum, aber wenn ich ſchreiben will, iſt die Luft leer von Gedanken, und die meiſten Worte ſind überflüſſig, ich muß ſie wieder wegſtreichen, wie hier im Brief. Bei Muſik bin ich geſammelt, die Gedanken fahren nicht herum, ſie ſind ſtill und ſchauen innerlich Ding, was mich vergnügt. Die Seel wächſt, die Knosp ſpringt auf und ſaugt Mondlicht. — Eine Weil hört ich zu im Bett, wies Ge¬ witter kam ſprang ich heraus und ſetzte mich aufs Fen¬ ſter. — Muſik bringt alles in Einklang, ſie donnert durch die hellſternige Nacht ihren gewaltigen Strom, dann tanzt ſie hin und grüßt mit jeder Well die Blum, die da heimlich blüht am Ufer. Wenn dann die Wol¬ ken vom Windſturm daher gejagt kommen, dann wer¬ den ſie als gleich, als von ihrem Hauch bezaubert; der Regen rollt Perlen unter ihren tanzenden Schritt, beim leuchtenden Blitz vom Donner durch die ſchwarze Nacht geſchnellt, die er mit ſchallenden Schwingen durchraſt,
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ich nicht denken kann was ich will, und muß von
allem mich irren laſſen, wie auf dem Markt, wo man
hin und her läuft vom Guckkaſten zum Puppenſpiel,
zum Bär der tanzt, oder mit den Zigeunern mich er¬
götzen am Mainufer, wenns Marktſchiff Philiſter aus¬
ſpeit, und die betrunknen Muſikanten ſchmettern ſie
hinaus. Allerlei geht mir im Kopf herum, aber wenn
ich ſchreiben will, iſt die Luft leer von Gedanken, und
die meiſten Worte ſind überflüſſig, ich muß ſie wieder
wegſtreichen, wie hier im Brief. Bei Muſik bin ich
geſammelt, die Gedanken fahren nicht herum, ſie ſind
ſtill und ſchauen innerlich Ding, was mich vergnügt.
Die Seel wächſt, die Knosp ſpringt auf und ſaugt
Mondlicht. — Eine Weil hört ich zu im Bett, wies Ge¬
witter kam ſprang ich heraus und ſetzte mich aufs Fen¬
ſter. — Muſik bringt alles in Einklang, ſie donnert
durch die hellſternige Nacht ihren gewaltigen Strom,
dann tanzt ſie hin und grüßt mit jeder Well die Blum,
die da heimlich blüht am Ufer. Wenn dann die Wol¬
ken vom Windſturm daher gejagt kommen, dann wer¬
den ſie als gleich, als von ihrem Hauch bezaubert; der
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/176>, abgerufen am 26.11.2024.
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