"Um Gotteswillen verlaß den Pfad nicht, denn so im Dickicht herum zu stolpern in der Nacht, da können wir in Gruben fallen, laß uns ruhig auf dem Weg fortgehen," ich war aber schon vorwärts geschritten und stolperte wirklich und raffte mich auf und fiel wieder, und kletterte über Stock und Stein, und die Tonie rief von Zeit zu Zeit, ich antwortete, und da war ich plötzlich im Freien auf der Höhe, die sich abflachte in eine weite Ebne, die ich nicht ermessen konnt, aber ganz in der Ferne sah ichs glänzen, ich rief: hier steh ich und seh den Rhein, Du mußt aus dem Wald heraus, denn auf dem Waldpfad kannst Du noch Stunden lang unnütz fortwandern. Wir kamen uns entgegen mit Rufen durch die Nacht, doch rückt ich nicht weit herein, aus Furcht, den Weg zu verlieren, endlich reich¬ ten wir einander die Hand und nun zog ich sie hinter mir her. Es ist ein dumm klein Abenteuerchen, aber es machte mich doch so froh, so aus dem finstern Wald heraus gefunden zu haben. Da standen wir und guck¬ ten uns um -- ob das dort ein Dorf ist; oder dort, ob das ein Licht ist? -- Wir setzten uns am Waldrand hin und lugten, es ließ sich nichts hören, kein Vögel¬ chen, es war gewiß schon spät, vielleicht bald elf Uhr, und da brennte auch kein Licht mehr in den Örtern,
„Um Gotteswillen verlaß den Pfad nicht, denn ſo im Dickicht herum zu ſtolpern in der Nacht, da können wir in Gruben fallen, laß uns ruhig auf dem Weg fortgehen,“ ich war aber ſchon vorwärts geſchritten und ſtolperte wirklich und raffte mich auf und fiel wieder, und kletterte über Stock und Stein, und die Tonie rief von Zeit zu Zeit, ich antwortete, und da war ich plötzlich im Freien auf der Höhe, die ſich abflachte in eine weite Ebne, die ich nicht ermeſſen konnt, aber ganz in der Ferne ſah ichs glänzen, ich rief: hier ſteh ich und ſeh den Rhein, Du mußt aus dem Wald heraus, denn auf dem Waldpfad kannſt Du noch Stunden lang unnütz fortwandern. Wir kamen uns entgegen mit Rufen durch die Nacht, doch rückt ich nicht weit herein, aus Furcht, den Weg zu verlieren, endlich reich¬ ten wir einander die Hand und nun zog ich ſie hinter mir her. Es iſt ein dumm klein Abenteuerchen, aber es machte mich doch ſo froh, ſo aus dem finſtern Wald heraus gefunden zu haben. Da ſtanden wir und guck¬ ten uns um — ob das dort ein Dorf iſt; oder dort, ob das ein Licht iſt? — Wir ſetzten uns am Waldrand hin und lugten, es ließ ſich nichts hören, kein Vögel¬ chen, es war gewiß ſchon ſpät, vielleicht bald elf Uhr, und da brennte auch kein Licht mehr in den Örtern,
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„Um Gotteswillen verlaß den Pfad nicht, denn ſo im
Dickicht herum zu ſtolpern in der Nacht, da können
wir in Gruben fallen, laß uns ruhig auf dem Weg
fortgehen,“ ich war aber ſchon vorwärts geſchritten und
ſtolperte wirklich und raffte mich auf und fiel wieder,
und kletterte über Stock und Stein, und die Tonie
rief von Zeit zu Zeit, ich antwortete, und da war ich
plötzlich im Freien auf der Höhe, die ſich abflachte in
eine weite Ebne, die ich nicht ermeſſen konnt, aber ganz
in der Ferne ſah ichs glänzen, ich rief: hier ſteh ich
und ſeh den Rhein, Du mußt aus dem Wald heraus,
denn auf dem Waldpfad kannſt Du noch Stunden
lang unnütz fortwandern. Wir kamen uns entgegen
mit Rufen durch die Nacht, doch rückt ich nicht weit
herein, aus Furcht, den Weg zu verlieren, endlich reich¬
ten wir einander die Hand und nun zog ich ſie hinter
mir her. Es iſt ein dumm klein Abenteuerchen, aber
es machte mich doch ſo froh, ſo aus dem finſtern Wald
heraus gefunden zu haben. Da ſtanden wir und guck¬
ten uns um — ob das dort ein Dorf iſt; oder dort, ob
das ein Licht iſt? — Wir ſetzten uns am Waldrand hin
und lugten, es ließ ſich nichts hören, kein Vögel¬
chen, es war gewiß ſchon ſpät, vielleicht bald elf Uhr,
und da brennte auch kein Licht mehr in den Örtern,
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/170>, abgerufen am 26.11.2024.
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