auf Woge wälzt; gewiß wie die Welt geboren wurde, da war es Nacht und da stiegen die Gipfel der Unsterb¬ lichkeit, die stillen von denen Du sagst, zuerst auf aus den Wassern und da drängte sich die Welt ihnen nach und liegt nun, und über ihr strömen die Sprachen jener Einsamen durch den Nachthimmel. -- Ja ich find mich nicht zurecht, wenn in einer solchen Nacht alles schläft weit und breit, und der Geist mächtig mit seinen Flü¬ geln die Luft durchsegelt. -- Und alle die Philosophen, die die Menschheit erwecken wollen, schlafen doch so fest und fühlens nicht. -- Und ob blos, wenns einem ge¬ gönnt wär in jeder Nacht die Augen zu öffnen, und ihren tiefen Faltenmantel zu durchschauen, den sie über die Natur ausbreitet und dann ihre heimlichen Geister umher¬ schweifen, anhauchen -- alles Lebende; ob der nicht hierdurch ein Seher würde himmlischem Wissen. Es ist doch so Seltsames in der Nacht, man sollte meinen, der Tag sei einmal schon in Beschlag genommen von der Verkehrtheit, aber die Nacht sei noch ganz frei da¬ von; man fühlt sich in der lautlosen silbernen Mond¬ zeit aufgezogen wie die rankende Pflanze, die hinaus¬ strebt in die Lüfte, -- den vorüberschweifenden Geistern sich anzuhängen und hier und dort von ihrem Hauch zu trinken. -- Aber was steig ich und schwindel ich
auf Woge wälzt; gewiß wie die Welt geboren wurde, da war es Nacht und da ſtiegen die Gipfel der Unſterb¬ lichkeit, die ſtillen von denen Du ſagſt, zuerſt auf aus den Waſſern und da drängte ſich die Welt ihnen nach und liegt nun, und über ihr ſtrömen die Sprachen jener Einſamen durch den Nachthimmel. — Ja ich find mich nicht zurecht, wenn in einer ſolchen Nacht alles ſchläft weit und breit, und der Geiſt mächtig mit ſeinen Flü¬ geln die Luft durchſegelt. — Und alle die Philoſophen, die die Menſchheit erwecken wollen, ſchlafen doch ſo feſt und fühlens nicht. — Und ob blos, wenns einem ge¬ gönnt wär in jeder Nacht die Augen zu öffnen, und ihren tiefen Faltenmantel zu durchſchauen, den ſie über die Natur ausbreitet und dann ihre heimlichen Geiſter umher¬ ſchweifen, anhauchen — alles Lebende; ob der nicht hierdurch ein Seher würde himmliſchem Wiſſen. Es iſt doch ſo Seltſames in der Nacht, man ſollte meinen, der Tag ſei einmal ſchon in Beſchlag genommen von der Verkehrtheit, aber die Nacht ſei noch ganz frei da¬ von; man fühlt ſich in der lautloſen ſilbernen Mond¬ zeit aufgezogen wie die rankende Pflanze, die hinaus¬ ſtrebt in die Lüfte, — den vorüberſchweifenden Geiſtern ſich anzuhängen und hier und dort von ihrem Hauch zu trinken. — Aber was ſteig ich und ſchwindel ich
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auf Woge wälzt; gewiß wie die Welt geboren wurde,
da war es Nacht und da ſtiegen die Gipfel der Unſterb¬
lichkeit, die ſtillen von denen Du ſagſt, zuerſt auf aus
den Waſſern und da drängte ſich die Welt ihnen nach
und liegt nun, und über ihr ſtrömen die Sprachen jener
Einſamen durch den Nachthimmel. — Ja ich find mich
nicht zurecht, wenn in einer ſolchen Nacht alles ſchläft
weit und breit, und der Geiſt mächtig mit ſeinen Flü¬
geln die Luft durchſegelt. — Und alle die Philoſophen,
die die Menſchheit erwecken wollen, ſchlafen doch ſo feſt
und fühlens nicht. — Und ob blos, wenns einem ge¬
gönnt wär in jeder Nacht die Augen zu öffnen, und
ihren tiefen Faltenmantel zu durchſchauen, den ſie über die
Natur ausbreitet und dann ihre heimlichen Geiſter umher¬
ſchweifen, anhauchen — alles Lebende; ob der nicht
hierdurch ein Seher würde himmliſchem Wiſſen. Es
iſt doch ſo Seltſames in der Nacht, man ſollte meinen,
der Tag ſei einmal ſchon in Beſchlag genommen von
der Verkehrtheit, aber die Nacht ſei noch ganz frei da¬
von; man fühlt ſich in der lautloſen ſilbernen Mond¬
zeit aufgezogen wie die rankende Pflanze, die hinaus¬
ſtrebt in die Lüfte, — den vorüberſchweifenden Geiſtern
ſich anzuhängen und hier und dort von ihrem Hauch
zu trinken. — Aber was ſteig ich und ſchwindel ich
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/167>, abgerufen am 27.11.2024.
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