fährt, sobald Du's berührst; erfüll Deine Seele mit dem was Deine Augen schöpfen auf jener seegensreichen Insel, so wird alle Weisheit Dich elektrisch durchströmen, ja ich glaub, wenn man nur unter dem blühenden Baum der Großmuth seine Stätte nimmt, der alle Tugenden in seinem Wipfel trägt, so ist die Weisheit Gottes nä¬ her als auf der höchsten Thurmspitze, die man sich selbst aufgerichtet hat. Alle Früchte fallen zur Erde, daß wir sie genießen, sie haben keine Flügel, daß sie davon flie¬ gen, und die Blüthen schwenken ihren Duft herab zu uns. Der Mensch kann nicht über den Apfel hinaus, der für ihn am Baum wächst, steigt er hinauf in den Wipfel, so nimmt er ihn sich, steht er unterm Baum und wartet, so fällt der Apfel ihm zu und giebt sich ihm, aber außer am Baum wird er sich keine Früchte erziehen. -- Du sprichst von Titanen, die die Berge mit großem Gepolter auf einander thürmen, und dann die stillen Gipfel der Unsterblichkeit hinabstürzen, da meinst Du doch wohl die Philosophen, wenn Du von ihnen sagst, daß ihr diebischer Eigennutz sich der Zeit vordrängt und sie mit schimmernden Phantomen blendet. -- Ach aller Eigennutz ist schändliche Dieberei, wer mit dem Geist geizt, mit ihm prahlt, wer ihn aufschichtet oder ihm einen Stempel einbrennt, der ist der eigennützigst[e]
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fährt, ſobald Du's berührſt; erfüll Deine Seele mit dem was Deine Augen ſchöpfen auf jener ſeegensreichen Inſel, ſo wird alle Weisheit Dich elektriſch durchſtrömen, ja ich glaub, wenn man nur unter dem blühenden Baum der Großmuth ſeine Stätte nimmt, der alle Tugenden in ſeinem Wipfel trägt, ſo iſt die Weisheit Gottes nä¬ her als auf der höchſten Thurmſpitze, die man ſich ſelbſt aufgerichtet hat. Alle Früchte fallen zur Erde, daß wir ſie genießen, ſie haben keine Flügel, daß ſie davon flie¬ gen, und die Blüthen ſchwenken ihren Duft herab zu uns. Der Menſch kann nicht über den Apfel hinaus, der für ihn am Baum wächſt, ſteigt er hinauf in den Wipfel, ſo nimmt er ihn ſich, ſteht er unterm Baum und wartet, ſo fällt der Apfel ihm zu und giebt ſich ihm, aber außer am Baum wird er ſich keine Früchte erziehen. — Du ſprichſt von Titanen, die die Berge mit großem Gepolter auf einander thürmen, und dann die ſtillen Gipfel der Unſterblichkeit hinabſtürzen, da meinſt Du doch wohl die Philoſophen, wenn Du von ihnen ſagſt, daß ihr diebiſcher Eigennutz ſich der Zeit vordrängt und ſie mit ſchimmernden Phantomen blendet. — Ach aller Eigennutz iſt ſchändliche Dieberei, wer mit dem Geiſt geizt, mit ihm prahlt, wer ihn aufſchichtet oder ihm einen Stempel einbrennt, der iſt der eigennützigſt[e]
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fährt, ſobald Du's berührſt; erfüll Deine Seele mit dem
was Deine Augen ſchöpfen auf jener ſeegensreichen Inſel,
ſo wird alle Weisheit Dich elektriſch durchſtrömen, ja
ich glaub, wenn man nur unter dem blühenden Baum
der Großmuth ſeine Stätte nimmt, der alle Tugenden
in ſeinem Wipfel trägt, ſo iſt die Weisheit Gottes nä¬
her als auf der höchſten Thurmſpitze, die man ſich ſelbſt
aufgerichtet hat. Alle Früchte fallen zur Erde, daß wir
ſie genießen, ſie haben keine Flügel, daß ſie davon flie¬
gen, und die Blüthen ſchwenken ihren Duft herab zu
uns. Der Menſch kann nicht über den Apfel hinaus,
der für ihn am Baum wächſt, ſteigt er hinauf in den
Wipfel, ſo nimmt er ihn ſich, ſteht er unterm Baum
und wartet, ſo fällt der Apfel ihm zu und giebt ſich
ihm, aber außer am Baum wird er ſich keine Früchte
erziehen. — Du ſprichſt von Titanen, die die Berge mit
großem Gepolter auf einander thürmen, und dann die
ſtillen Gipfel der Unſterblichkeit hinabſtürzen, da meinſt
Du doch wohl die Philoſophen, wenn Du von ihnen
ſagſt, daß ihr diebiſcher Eigennutz ſich der Zeit vordrängt
und ſie mit ſchimmernden Phantomen blendet. — Ach
aller Eigennutz iſt ſchändliche Dieberei, wer mit dem
Geiſt geizt, mit ihm prahlt, wer ihn aufſchichtet oder
ihm einen Stempel einbrennt, der iſt der eigennützigſte
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/163>, abgerufen am 27.11.2024.
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