Wir begleiteten sie bis zum Wagen und sie sagte mir noch, wo ich sie begegnete, da sollte ich immer zu ihr kommen, ich küßte ihre Hand und ging zurück, denn der Herzog sprach noch mit ihr. -- Sein Wagen war auch vorgefahren, er legte mir die Hand auf den Kopf und sagte, auf Wiedersehen, -- und lachte mich an, und ich dachte: Ach Gott, am End hat er den Zettel dem Lipps gegeben. Er stieg in den Wagen im leberfarb¬ nen Rock, und wie das Windspiel nachsprang und sich zu seinen Füßen legte, da sah ich wohl so etwas auf dem Rücksitz liegen, wie einen weißen Mantel, der hell¬ blau gefüttert war, aber er sah doch nicht ganz weiß aus, sondern mehr hellgrau, aber die graue Mütze sah ich, wie mich deucht, auch. -- Ja ich sah sie gewiß, ich wollt sie nur nicht erkennen, weil ich mich schämte; -- aber das dauerte noch eine Weile, daß ich mich gar nicht trösten konnte, und so oft mirs einfällt werd ich aufs Neue roth vor mir selber. -- Aber ich denk nur immer, ein Prinz hat kein lang Gedächtniß, er wirds bald vergessen. Ach wenn ers nur recht bald vergäße! -- Gute Nacht. Morgen erzähl ich Dir noch mehr von heut, von unserm Sonnenaufgang hab ich Dir noch gar nichts erzählt, daß wir den gar nicht gesehen haben, und daß die Sonne hinter uns aufging, -- und
Wir begleiteten ſie bis zum Wagen und ſie ſagte mir noch, wo ich ſie begegnete, da ſollte ich immer zu ihr kommen, ich küßte ihre Hand und ging zurück, denn der Herzog ſprach noch mit ihr. — Sein Wagen war auch vorgefahren, er legte mir die Hand auf den Kopf und ſagte, auf Wiederſehen, — und lachte mich an, und ich dachte: Ach Gott, am End hat er den Zettel dem Lipps gegeben. Er ſtieg in den Wagen im leberfarb¬ nen Rock, und wie das Windſpiel nachſprang und ſich zu ſeinen Füßen legte, da ſah ich wohl ſo etwas auf dem Rückſitz liegen, wie einen weißen Mantel, der hell¬ blau gefüttert war, aber er ſah doch nicht ganz weiß aus, ſondern mehr hellgrau, aber die graue Mütze ſah ich, wie mich deucht, auch. — Ja ich ſah ſie gewiß, ich wollt ſie nur nicht erkennen, weil ich mich ſchämte; — aber das dauerte noch eine Weile, daß ich mich gar nicht tröſten konnte, und ſo oft mirs einfällt werd ich aufs Neue roth vor mir ſelber. — Aber ich denk nur immer, ein Prinz hat kein lang Gedächtniß, er wirds bald vergeſſen. Ach wenn ers nur recht bald vergäße! — Gute Nacht. Morgen erzähl ich Dir noch mehr von heut, von unſerm Sonnenaufgang hab ich Dir noch gar nichts erzählt, daß wir den gar nicht geſehen haben, und daß die Sonne hinter uns aufging, — und
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Wir begleiteten ſie bis zum Wagen und ſie ſagte mir
noch, wo ich ſie begegnete, da ſollte ich immer zu ihr
kommen, ich küßte ihre Hand und ging zurück, denn der
Herzog ſprach noch mit ihr. — Sein Wagen war auch
vorgefahren, er legte mir die Hand auf den Kopf und
ſagte, auf Wiederſehen, — und lachte mich an, und
ich dachte: Ach Gott, am End hat er den Zettel dem
Lipps gegeben. Er ſtieg in den Wagen im leberfarb¬
nen Rock, und wie das Windſpiel nachſprang und ſich
zu ſeinen Füßen legte, da ſah ich wohl ſo etwas auf
dem Rückſitz liegen, wie einen weißen Mantel, der hell¬
blau gefüttert war, aber er ſah doch nicht ganz weiß
aus, ſondern mehr hellgrau, aber die graue Mütze ſah
ich, wie mich deucht, auch. — Ja ich ſah ſie gewiß, ich
wollt ſie nur nicht erkennen, weil ich mich ſchämte; —
aber das dauerte noch eine Weile, daß ich mich gar
nicht tröſten konnte, und ſo oft mirs einfällt werd ich
aufs Neue roth vor mir ſelber. — Aber ich denk nur
immer, ein Prinz hat kein lang Gedächtniß, er wirds
bald vergeſſen. Ach wenn ers nur recht bald vergäße!
— Gute Nacht. Morgen erzähl ich Dir noch mehr
von heut, von unſerm Sonnenaufgang hab ich Dir noch
gar nichts erzählt, daß wir den gar nicht geſehen
haben, und daß die Sonne hinter uns aufging, — und
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/141>, abgerufen am 29.11.2024.
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