von Dir empfange und Dein Umgang mich belehre, auf mein Unvermögen mich selbst zu schätzen schob, das mir da einen absurden Streich spiele, alle Welt wundere sich daß ich meine Zeit mit dem Sausewind verbringe und ihm vor andern solche köstliche Minuten schenke. -- Nun es wird mir nicht fehlen daß mir nächstens die ergötzliche Unbedeutenheit aus diesen meinen Verkehrt¬ heiten zuerkannt werde, um die mich keiner beneiden wird weil man eben das Bedeutende nicht zu schätzen weiß. Ich ahne sehr hell, daß wenn in dem bescheide¬ nen Knospenzustand Unbedeutenheit verborgen, nicht der volle innere Lebenstrieb wirkte, das Bedeutende nie ans Licht blühen würde, am wenigsten wenn diebischer Eigennutz sich der Zeit vordrängt blos um auf der Höhe zu stehen, wo die Andern zu seinen schimmernden Phan¬ tomen aufsehen müssen. Wie die Titanen mit großem Gepolter ihre Treppe zu der Götter Burgen aufthürm¬ ten, und die stillen Gipfel des Olympos als unbedeutend hinabstürzten. Eins empfinde ich in Dir, daß die Na¬ tur das Ideal des Menschengeistes, gleichwie das Pflan¬ zenglück unter warmer, nährender Decke vorbereiten muß, sonst werden die Menschen davon nicht wachsen und reifen und im Sonnenglanze grünen.
Deine Begebenheiten, Deine Bemerkungen, alles
von Dir empfange und Dein Umgang mich belehre, auf mein Unvermögen mich ſelbſt zu ſchätzen ſchob, das mir da einen abſurden Streich ſpiele, alle Welt wundere ſich daß ich meine Zeit mit dem Sauſewind verbringe und ihm vor andern ſolche köſtliche Minuten ſchenke. — Nun es wird mir nicht fehlen daß mir nächſtens die ergötzliche Unbedeutenheit aus dieſen meinen Verkehrt¬ heiten zuerkannt werde, um die mich keiner beneiden wird weil man eben das Bedeutende nicht zu ſchätzen weiß. Ich ahne ſehr hell, daß wenn in dem beſcheide¬ nen Knospenzuſtand Unbedeutenheit verborgen, nicht der volle innere Lebenstrieb wirkte, das Bedeutende nie ans Licht blühen würde, am wenigſten wenn diebiſcher Eigennutz ſich der Zeit vordrängt blos um auf der Höhe zu ſtehen, wo die Andern zu ſeinen ſchimmernden Phan¬ tomen aufſehen müſſen. Wie die Titanen mit großem Gepolter ihre Treppe zu der Götter Burgen aufthürm¬ ten, und die ſtillen Gipfel des Olympos als unbedeutend hinabſtürzten. Eins empfinde ich in Dir, daß die Na¬ tur das Ideal des Menſchengeiſtes, gleichwie das Pflan¬ zenglück unter warmer, nährender Decke vorbereiten muß, ſonſt werden die Menſchen davon nicht wachſen und reifen und im Sonnenglanze grünen.
Deine Begebenheiten, Deine Bemerkungen, alles
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von Dir empfange und Dein Umgang mich belehre, auf
mein Unvermögen mich ſelbſt zu ſchätzen ſchob, das mir
da einen abſurden Streich ſpiele, alle Welt wundere
ſich daß ich meine Zeit mit dem Sauſewind verbringe
und ihm vor andern ſolche köſtliche Minuten ſchenke.
— Nun es wird mir nicht fehlen daß mir nächſtens die
ergötzliche Unbedeutenheit aus dieſen meinen Verkehrt¬
heiten zuerkannt werde, um die mich keiner beneiden
wird weil man eben das Bedeutende nicht zu ſchätzen
weiß. Ich ahne ſehr hell, daß wenn in dem beſcheide¬
nen Knospenzuſtand Unbedeutenheit verborgen, nicht
der volle innere Lebenstrieb wirkte, das Bedeutende nie
ans Licht blühen würde, am wenigſten wenn diebiſcher
Eigennutz ſich der Zeit vordrängt blos um auf der Höhe
zu ſtehen, wo die Andern zu ſeinen ſchimmernden Phan¬
tomen aufſehen müſſen. Wie die Titanen mit großem
Gepolter ihre Treppe zu der Götter Burgen aufthürm¬
ten, und die ſtillen Gipfel des Olympos als unbedeutend
hinabſtürzten. Eins empfinde ich in Dir, daß die Na¬
tur das Ideal des Menſchengeiſtes, gleichwie das Pflan¬
zenglück unter warmer, nährender Decke vorbereiten
muß, ſonſt werden die Menſchen davon nicht wachſen
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/126>, abgerufen am 04.12.2024.
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