Unterwelt, aber nie konnt ich zu dir durchdringen; ein unselig Geschick rief mich immer wieder zu der Oberwelt.
Immortalita. Wie Knabe! -- so hast du mich geliebt, daß lieber den Hälios und das Morgenroth du nicht mehr sehen wolltest, als mich nicht finden?
Erodion. So hab ich dich geliebt, und ohne dich, konnte die Erde nicht mehr mich ergötzen, nicht mehr der blumige Frühling, der sonnige Tag, die thauige Nacht, die zu besitzen der finstere Pluto gern sein Zepter hätt vertauscht. Aber wie eine größere Liebe in meiner Eltern Umarmungen sich vereint hatte, als alle andre Liebe, -- denn sie waren die Liebe selbst, -- so die Sehnsucht auch, die zu dir mich trieb, war die mächtigste, und über alle Hindernisse siegreich war mein Glaube dich zu finden; denn meine Eltern wußten, daß der aus Lieb und Schönheit entsprungen, nichts höheres auf Erden finde, als sich selbst, und hatten diesen Glauben zu dir, mir gegeben, daß meine Kraft nicht sollt ermüden, nach Höherem zu streben außer mir.
Immortalita. Aber wie kamst du endlich zu mir? unwillig nimmt Charon Lebende in das morsche Fahrzeug, für Schatten nur erbaut.
Erodion. Einst war mein Sehnen dich zu schauen so groß, daß alles was die Menschen erdacht
Unterwelt, aber nie konnt ich zu dir durchdringen; ein unſelig Geſchick rief mich immer wieder zu der Oberwelt.
Immortalita. Wie Knabe! — ſo haſt du mich geliebt, daß lieber den Hälios und das Morgenroth du nicht mehr ſehen wollteſt, als mich nicht finden?
Erodion. So hab ich dich geliebt, und ohne dich, konnte die Erde nicht mehr mich ergötzen, nicht mehr der blumige Frühling, der ſonnige Tag, die thauige Nacht, die zu beſitzen der finſtere Pluto gern ſein Zepter hätt vertauſcht. Aber wie eine größere Liebe in meiner Eltern Umarmungen ſich vereint hatte, als alle andre Liebe, — denn ſie waren die Liebe ſelbſt, — ſo die Sehnſucht auch, die zu dir mich trieb, war die mächtigſte, und über alle Hinderniſſe ſiegreich war mein Glaube dich zu finden; denn meine Eltern wußten, daß der aus Lieb und Schönheit entſprungen, nichts höheres auf Erden finde, als ſich ſelbſt, und hatten dieſen Glauben zu dir, mir gegeben, daß meine Kraft nicht ſollt ermüden, nach Höherem zu ſtreben außer mir.
Immortalita. Aber wie kamſt du endlich zu mir? unwillig nimmt Charon Lebende in das morſche Fahrzeug, für Schatten nur erbaut.
Erodion. Einſt war mein Sehnen dich zu ſchauen ſo groß, daß alles was die Menſchen erdacht
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Unterwelt, aber nie konnt ich zu dir durchdringen; ein
unſelig Geſchick rief mich immer wieder zu der Oberwelt.
Immortalita. Wie Knabe! — ſo haſt du mich
geliebt, daß lieber den Hälios und das Morgenroth
du nicht mehr ſehen wollteſt, als mich nicht finden?
Erodion. So hab ich dich geliebt, und ohne
dich, konnte die Erde nicht mehr mich ergötzen, nicht
mehr der blumige Frühling, der ſonnige Tag, die
thauige Nacht, die zu beſitzen der finſtere Pluto gern
ſein Zepter hätt vertauſcht. Aber wie eine größere Liebe
in meiner Eltern Umarmungen ſich vereint hatte, als
alle andre Liebe, — denn ſie waren die Liebe ſelbſt, —
ſo die Sehnſucht auch, die zu dir mich trieb, war die
mächtigſte, und über alle Hinderniſſe ſiegreich war mein
Glaube dich zu finden; denn meine Eltern wußten,
daß der aus Lieb und Schönheit entſprungen, nichts
höheres auf Erden finde, als ſich ſelbſt, und hatten
dieſen Glauben zu dir, mir gegeben, daß meine Kraft
nicht ſollt ermüden, nach Höherem zu ſtreben außer mir.
Immortalita. Aber wie kamſt du endlich zu
mir? unwillig nimmt Charon Lebende in das morſche
Fahrzeug, für Schatten nur erbaut.
Erodion. Einſt war mein Sehnen dich zu
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/117>, abgerufen am 28.11.2024.
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