auf möcht ich ihm antworten mit einem Tannenzapfen, den ich ihm in die Hand drücke, oder eine Schnecke die am Weg kriecht, oder einen angebissnen Holzapfel, es wär im¬ mer noch gescheuter als die Antwort, die mir einfällt. Mich geht kein Erdenschicksal was an, weil ich doch nicht Freiheit es zu lenken hab; -- Wär ich auf dem Thron so wollt ich die Welt mit lachendem Muth um¬ wälzen, sagte ich gestern Abend zum Voigt. "Meinet¬ wegen," sagte er, "Schad ists nicht drum, auf der neuen Seite kann sie nicht verkehrter liegen als auf der alten. Alle die mühseligen Personagen, die etwas unter Narren bedeuten, sind ein absurdes Zeugniß von ihrer lächerlichen Autorität, solche haben so großen Re¬ spekt vor ihrer hohen Tendenz, daß sie sich nicht ge¬ trauen sich ins Gewissen zu reden, sie meinen was durch sie geschähe wär der Schicksalsschlüssel, der durch sie die Zukunft aufschließt die schon fertig da läge und nicht erst durch ihren Unsinn verkehrt gemacht wird, sie würden sich nicht getrauen vollkommne Menschen aus sich zu bilden und allenfalls die Bedürfnisse der höheren Menschenrechte vor sich selber zu vertreten; O nein! je dringender die Forderungen der Zeit ihnen auf den Hals rücken, je mehr glauben sie sich mit Philisterthum verschanzen zu müssen und suchen sich Nothstützen an
auf möcht ich ihm antworten mit einem Tannenzapfen, den ich ihm in die Hand drücke, oder eine Schnecke die am Weg kriecht, oder einen angebiſſnen Holzapfel, es wär im¬ mer noch geſcheuter als die Antwort, die mir einfällt. Mich geht kein Erdenſchickſal was an, weil ich doch nicht Freiheit es zu lenken hab; — Wär ich auf dem Thron ſo wollt ich die Welt mit lachendem Muth um¬ wälzen, ſagte ich geſtern Abend zum Voigt. „Meinet¬ wegen,“ ſagte er, „Schad iſts nicht drum, auf der neuen Seite kann ſie nicht verkehrter liegen als auf der alten. Alle die mühſeligen Perſonagen, die etwas unter Narren bedeuten, ſind ein abſurdes Zeugniß von ihrer lächerlichen Autorität, ſolche haben ſo großen Re¬ ſpekt vor ihrer hohen Tendenz, daß ſie ſich nicht ge¬ trauen ſich ins Gewiſſen zu reden, ſie meinen was durch ſie geſchähe wär der Schickſalsſchlüſſel, der durch ſie die Zukunft aufſchließt die ſchon fertig da läge und nicht erſt durch ihren Unſinn verkehrt gemacht wird, ſie würden ſich nicht getrauen vollkommne Menſchen aus ſich zu bilden und allenfalls die Bedürfniſſe der höheren Menſchenrechte vor ſich ſelber zu vertreten; O nein! je dringender die Forderungen der Zeit ihnen auf den Hals rücken, je mehr glauben ſie ſich mit Philiſterthum verſchanzen zu müſſen und ſuchen ſich Nothſtützen an
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auf möcht ich ihm antworten mit einem Tannenzapfen, den
ich ihm in die Hand drücke, oder eine Schnecke die am Weg
kriecht, oder einen angebiſſnen Holzapfel, es wär im¬
mer noch geſcheuter als die Antwort, die mir einfällt.
Mich geht kein Erdenſchickſal was an, weil ich doch
nicht Freiheit es zu lenken hab; — Wär ich auf dem
Thron ſo wollt ich die Welt mit lachendem Muth um¬
wälzen, ſagte ich geſtern Abend zum Voigt. „Meinet¬
wegen,“ ſagte er, „Schad iſts nicht drum, auf der
neuen Seite kann ſie nicht verkehrter liegen als auf
der alten. Alle die mühſeligen Perſonagen, die etwas
unter Narren bedeuten, ſind ein abſurdes Zeugniß von
ihrer lächerlichen Autorität, ſolche haben ſo großen Re¬
ſpekt vor ihrer hohen Tendenz, daß ſie ſich nicht ge¬
trauen ſich ins Gewiſſen zu reden, ſie meinen was
durch ſie geſchähe wär der Schickſalsſchlüſſel, der durch
ſie die Zukunft aufſchließt die ſchon fertig da läge und
nicht erſt durch ihren Unſinn verkehrt gemacht wird, ſie
würden ſich nicht getrauen vollkommne Menſchen aus
ſich zu bilden und allenfalls die Bedürfniſſe der höheren
Menſchenrechte vor ſich ſelber zu vertreten; O nein!
je dringender die Forderungen der Zeit ihnen auf den
Hals rücken, je mehr glauben ſie ſich mit Philiſterthum
verſchanzen zu müſſen und ſuchen ſich Nothſtützen an
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/100>, abgerufen am 27.11.2024.
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