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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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mich "geliebtes Kind" nenntest, mich an's Herz drücktest
in süßer Regung über das, was Du vernimmst?

Ach ich weiß nichts besseres, ich weiß keine schönere
Freuden als die jener ersten Frühlinge, keine innigere
Sehnsucht als die nach dem Aufblühen meiner Blumen-
knospen, keinen heißeren Durst, als der mich befiel, wenn
ich mitten in der schönen blühenden Natur stand, und
alles voll üppigem Gedeihen um mich her. Nichts hat
freundlicher und mitleidiger mich berührt als die Son-
nenstrahlen des jungen Jahr's, und wenn Du eifersüch-
tig sein könntest so wär' es nur auf diese Zeit, denn
wahrlich ich sehne mich wieder dahin.


Eine Sonne geht uns auf, sie weckt den Geist wie
den jungen Tag, mit ihrem Untergang geht er schlafen;
wenn sie aufsteigt erwacht ein Treiben im Herzen wie
der Frühling, wenn sie hoch steht glüht der Geist mäch-
tig, er ragt über das Irdische hinaus und lernt aus
Offenbarungen; wenn sie sich dem Abend neigt, da
tritt die Besinnung ein, ihrem Untergang folgt die Er-
innerung; wir besinnen uns in der Schattenruh auf
das Wogen der Seele im Lichtmeer, auf die Begeistrung

mich „geliebtes Kind“ nennteſt, mich an's Herz drückteſt
in ſüßer Regung über das, was Du vernimmſt?

Ach ich weiß nichts beſſeres, ich weiß keine ſchönere
Freuden als die jener erſten Frühlinge, keine innigere
Sehnſucht als die nach dem Aufblühen meiner Blumen-
knoſpen, keinen heißeren Durſt, als der mich befiel, wenn
ich mitten in der ſchönen blühenden Natur ſtand, und
alles voll üppigem Gedeihen um mich her. Nichts hat
freundlicher und mitleidiger mich berührt als die Son-
nenſtrahlen des jungen Jahr's, und wenn Du eiferſüch-
tig ſein könnteſt ſo wär' es nur auf dieſe Zeit, denn
wahrlich ich ſehne mich wieder dahin.


Eine Sonne geht uns auf, ſie weckt den Geiſt wie
den jungen Tag, mit ihrem Untergang geht er ſchlafen;
wenn ſie aufſteigt erwacht ein Treiben im Herzen wie
der Frühling, wenn ſie hoch ſteht glüht der Geiſt mäch-
tig, er ragt über das Irdiſche hinaus und lernt aus
Offenbarungen; wenn ſie ſich dem Abend neigt, da
tritt die Beſinnung ein, ihrem Untergang folgt die Er-
innerung; wir beſinnen uns in der Schattenruh auf
das Wogen der Seele im Lichtmeer, auf die Begeiſtrung

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[64/0074] mich „geliebtes Kind“ nennteſt, mich an's Herz drückteſt in ſüßer Regung über das, was Du vernimmſt? Ach ich weiß nichts beſſeres, ich weiß keine ſchönere Freuden als die jener erſten Frühlinge, keine innigere Sehnſucht als die nach dem Aufblühen meiner Blumen- knoſpen, keinen heißeren Durſt, als der mich befiel, wenn ich mitten in der ſchönen blühenden Natur ſtand, und alles voll üppigem Gedeihen um mich her. Nichts hat freundlicher und mitleidiger mich berührt als die Son- nenſtrahlen des jungen Jahr's, und wenn Du eiferſüch- tig ſein könnteſt ſo wär' es nur auf dieſe Zeit, denn wahrlich ich ſehne mich wieder dahin. Eine Sonne geht uns auf, ſie weckt den Geiſt wie den jungen Tag, mit ihrem Untergang geht er ſchlafen; wenn ſie aufſteigt erwacht ein Treiben im Herzen wie der Frühling, wenn ſie hoch ſteht glüht der Geiſt mäch- tig, er ragt über das Irdiſche hinaus und lernt aus Offenbarungen; wenn ſie ſich dem Abend neigt, da tritt die Beſinnung ein, ihrem Untergang folgt die Er- innerung; wir beſinnen uns in der Schattenruh auf das Wogen der Seele im Lichtmeer, auf die Begeiſtrung

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/74>, abgerufen am 22.11.2024.