dann lief es noch mehrere Terrassen hinab, immer in steinerne Becken gesammelt, wo es denn unter der Erde bis zur Mauer kam, die den tiefsten alle andern um- gebenden Garten einschloß, und von da sich in's Thal ergoß, denn auch dieser letzte Garten lag noch auf einer ziemlichen Höhe; da floß es in einem Bach weiter, ich weiß nicht wohin. So sah ich denn von oben hinab seinem Stürzen, seinem Sprudlen, seinem ruhigen Lauf zu; ich sah, wie es sich sammelte und kunstreich empor- sprang und in feinen Strahlen umherspielte; es ver- barg sich, es kam aber wieder und eilte wieder eine hohe Treppe hinab; ich eilte ihm nach, ich fand es im klaren Brunnen von dunklen Tannen umgeben in denen die Nachtigallen hausten; da war es so traulich, da spielte ich mit bloßen Füßen in dem kühlen Wasser. -- Und dann lief's weiter verborgen, und wie es sich au- ßerhalb der Mauer hinabstürzte, das sah ich mit an und konnte es nicht weiter verfolgen, ich mußt' es halt dahin laufen lassen. -- Ach es kam ja Welle auf Welle nach, es strömte unaufhaltsam die Treppe hinab; der Wasserstrahl im Springbrunnen spielte Tag und Nacht und versiegte nimmer, aber da wo es mir entlief, da grade sehnte sich mein Herz nach ihm, und da konnte ich nicht mit; und wenn ich nun Freiheit gehabt hätte
dann lief es noch mehrere Terraſſen hinab, immer in ſteinerne Becken geſammelt, wo es denn unter der Erde bis zur Mauer kam, die den tiefſten alle andern um- gebenden Garten einſchloß, und von da ſich in's Thal ergoß, denn auch dieſer letzte Garten lag noch auf einer ziemlichen Höhe; da floß es in einem Bach weiter, ich weiß nicht wohin. So ſah ich denn von oben hinab ſeinem Stürzen, ſeinem Sprudlen, ſeinem ruhigen Lauf zu; ich ſah, wie es ſich ſammelte und kunſtreich empor- ſprang und in feinen Strahlen umherſpielte; es ver- barg ſich, es kam aber wieder und eilte wieder eine hohe Treppe hinab; ich eilte ihm nach, ich fand es im klaren Brunnen von dunklen Tannen umgeben in denen die Nachtigallen hauſten; da war es ſo traulich, da ſpielte ich mit bloßen Füßen in dem kühlen Waſſer. — Und dann lief's weiter verborgen, und wie es ſich au- ßerhalb der Mauer hinabſtürzte, das ſah ich mit an und konnte es nicht weiter verfolgen, ich mußt' es halt dahin laufen laſſen. — Ach es kam ja Welle auf Welle nach, es ſtrömte unaufhaltſam die Treppe hinab; der Waſſerſtrahl im Springbrunnen ſpielte Tag und Nacht und verſiegte nimmer, aber da wo es mir entlief, da grade ſehnte ſich mein Herz nach ihm, und da konnte ich nicht mit; und wenn ich nun Freiheit gehabt hätte
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dann lief es noch mehrere Terraſſen hinab, immer in
ſteinerne Becken geſammelt, wo es denn unter der Erde
bis zur Mauer kam, die den tiefſten alle andern um-
gebenden Garten einſchloß, und von da ſich in's Thal
ergoß, denn auch dieſer letzte Garten lag noch auf einer
ziemlichen Höhe; da floß es in einem Bach weiter, ich
weiß nicht wohin. So ſah ich denn von oben hinab
ſeinem Stürzen, ſeinem Sprudlen, ſeinem ruhigen Lauf
zu; ich ſah, wie es ſich ſammelte und kunſtreich empor-
ſprang und in feinen Strahlen umherſpielte; es ver-
barg ſich, es kam aber wieder und eilte wieder eine
hohe Treppe hinab; ich eilte ihm nach, ich fand es im
klaren Brunnen von dunklen Tannen umgeben in denen
die Nachtigallen hauſten; da war es ſo traulich, da
ſpielte ich mit bloßen Füßen in dem kühlen Waſſer. —
Und dann lief's weiter verborgen, und wie es ſich au-
ßerhalb der Mauer hinabſtürzte, das ſah ich mit an
und konnte es nicht weiter verfolgen, ich mußt' es halt
dahin laufen laſſen. — Ach es kam ja Welle auf Welle
nach, es ſtrömte unaufhaltſam die Treppe hinab; der
Waſſerſtrahl im Springbrunnen ſpielte Tag und Nacht
und verſiegte nimmer, aber da wo es mir entlief, da
grade ſehnte ſich mein Herz nach ihm, und da konnte
ich nicht mit; und wenn ich nun Freiheit gehabt hätte
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/70>, abgerufen am 16.02.2025.
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