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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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noch würde ich jene Sonnenstrahlen mit dem Auge der
Erinnerung auffangen, nicht mich der Wolkenzüge als
erhabener Begebnisse erinnern, die Blumen der ver-
schwundenen Frühlinge würden mir nicht heute noch
mit ihren Farben und Formen zulächlen, und die reifen
Früchte, denen ich liebkoste, eh' ich sie genoß, würden
mich nicht nach verschwundenen Jahren wie aus den
Träumen seeliger Genüsse, mahnen an die heimliche Lust.
-- Sie lachten mich an diese runden Äpfel, die gestreif-
ten Birnen, und die schwarzen Kirschen, die ich mir aus
den höchsten Zweigen erkletterte. O keine Erinnerung
brennt mehr in meinem Herzen, auf meinen Lippen, die
dieser den Rang abliefe; nicht Du, nicht andre haben für
die süße Kost der Kirsche auf höchstem Gipfel im brennen-
den Sonnenlicht gereift, oder der waldeinsamen Erdbeere
unter bethautem Gras aufgefunden, mich nur einmal ent-
schädigt. Drum weil er denn in den Geist so tief einge-
graben ist, der Genuß kindlicher Jugend, so tief wie die
Flammenschrift der Leidenschaft, so ist er wohl auch eine
göttliche Offenbarung und er bedingt viel in der Brust
in der er haftet.

Gedanken sind auch Pflanzen, sie schweben im gei-
stigen Äther, die Empfindung ist ihre Muttererde, in
der sie ihre Wurzeln ausdehnen und nähren; der Geist

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noch würde ich jene Sonnenſtrahlen mit dem Auge der
Erinnerung auffangen, nicht mich der Wolkenzüge als
erhabener Begebniſſe erinnern, die Blumen der ver-
ſchwundenen Frühlinge würden mir nicht heute noch
mit ihren Farben und Formen zulächlen, und die reifen
Früchte, denen ich liebkoſte, eh' ich ſie genoß, würden
mich nicht nach verſchwundenen Jahren wie aus den
Träumen ſeeliger Genüſſe, mahnen an die heimliche Luſt.
— Sie lachten mich an dieſe runden Äpfel, die geſtreif-
ten Birnen, und die ſchwarzen Kirſchen, die ich mir aus
den höchſten Zweigen erkletterte. O keine Erinnerung
brennt mehr in meinem Herzen, auf meinen Lippen, die
dieſer den Rang abliefe; nicht Du, nicht andre haben für
die ſüße Koſt der Kirſche auf höchſtem Gipfel im brennen-
den Sonnenlicht gereift, oder der waldeinſamen Erdbeere
unter bethautem Gras aufgefunden, mich nur einmal ent-
ſchädigt. Drum weil er denn in den Geiſt ſo tief einge-
graben iſt, der Genuß kindlicher Jugend, ſo tief wie die
Flammenſchrift der Leidenſchaft, ſo iſt er wohl auch eine
göttliche Offenbarung und er bedingt viel in der Bruſt
in der er haftet.

Gedanken ſind auch Pflanzen, ſie ſchweben im gei-
ſtigen Äther, die Empfindung iſt ihre Muttererde, in
der ſie ihre Wurzeln ausdehnen und nähren; der Geiſt

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[51/0061] noch würde ich jene Sonnenſtrahlen mit dem Auge der Erinnerung auffangen, nicht mich der Wolkenzüge als erhabener Begebniſſe erinnern, die Blumen der ver- ſchwundenen Frühlinge würden mir nicht heute noch mit ihren Farben und Formen zulächlen, und die reifen Früchte, denen ich liebkoſte, eh' ich ſie genoß, würden mich nicht nach verſchwundenen Jahren wie aus den Träumen ſeeliger Genüſſe, mahnen an die heimliche Luſt. — Sie lachten mich an dieſe runden Äpfel, die geſtreif- ten Birnen, und die ſchwarzen Kirſchen, die ich mir aus den höchſten Zweigen erkletterte. O keine Erinnerung brennt mehr in meinem Herzen, auf meinen Lippen, die dieſer den Rang abliefe; nicht Du, nicht andre haben für die ſüße Koſt der Kirſche auf höchſtem Gipfel im brennen- den Sonnenlicht gereift, oder der waldeinſamen Erdbeere unter bethautem Gras aufgefunden, mich nur einmal ent- ſchädigt. Drum weil er denn in den Geiſt ſo tief einge- graben iſt, der Genuß kindlicher Jugend, ſo tief wie die Flammenſchrift der Leidenſchaft, ſo iſt er wohl auch eine göttliche Offenbarung und er bedingt viel in der Bruſt in der er haftet. Gedanken ſind auch Pflanzen, ſie ſchweben im gei- ſtigen Äther, die Empfindung iſt ihre Muttererde, in der ſie ihre Wurzeln ausdehnen und nähren; der Geiſt 3*

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/61>, abgerufen am 25.11.2024.