es braus'te um mich her, und wenn ich allein war dann brach ich in Thränen aus, ich konnte die Bücher nicht lesen, ich war viel zu bewegt, da war's gleichsam als erstürzte der Strom meines Lebens über Fels und Ge- klüft in tausend Kaskaden herab, und es dauerte lang ehe er sich wieder zur Ruh sammelte. -- Da kam nun einer, der trug einen Siegelring am Finger und sagte, den habe Goethe ihm geschenkt. Das klagte ich ihm, wie ich ihn zum erstenmal sah, wie sehr mich das ge- schmerzt habe, daß er einen Ring so leichtsinnig habe verschenken können, noch eh er mich gekannt. Goethe lächelte zu diesen seltsamen Liebesklagen nicht, er sah milde auf mich herab, die zutraulich an seinen Knieen auf dem Schemel saß. Beim Weggehen steckte er mir den Ring an den Finger und sagte: "Wenn einer sagt, er habe einen Ring von mir, so sage du: Goethe erinnert sich an keinen wie an diesen." -- Nachher nahm er mich sanft an sein Herz, ich zählte die Schläge. -- "Ich hoffe du vergißt mich nicht," sagte er, "es wäre undankbar, ich habe ohne Bedingungen alle deine Forderungen so viel wie möglich befriedigt." -- Also liebst Du mich, sagte ich, und ewig, denn sonst bin ich ärmer wie je, ja ich muß verzweifeln.
es brauſ'te um mich her, und wenn ich allein war dann brach ich in Thränen aus, ich konnte die Bücher nicht leſen, ich war viel zu bewegt, da war's gleichſam als erſtürzte der Strom meines Lebens über Fels und Ge- klüft in tauſend Kaskaden herab, und es dauerte lang ehe er ſich wieder zur Ruh ſammelte. — Da kam nun einer, der trug einen Siegelring am Finger und ſagte, den habe Goethe ihm geſchenkt. Das klagte ich ihm, wie ich ihn zum erſtenmal ſah, wie ſehr mich das ge- ſchmerzt habe, daß er einen Ring ſo leichtſinnig habe verſchenken können, noch eh er mich gekannt. Goethe lächelte zu dieſen ſeltſamen Liebesklagen nicht, er ſah milde auf mich herab, die zutraulich an ſeinen Knieen auf dem Schemel ſaß. Beim Weggehen ſteckte er mir den Ring an den Finger und ſagte: „Wenn einer ſagt, er habe einen Ring von mir, ſo ſage du: Goethe erinnert ſich an keinen wie an dieſen.“ — Nachher nahm er mich ſanft an ſein Herz, ich zählte die Schläge. — „Ich hoffe du vergißt mich nicht,“ ſagte er, „es wäre undankbar, ich habe ohne Bedingungen alle deine Forderungen ſo viel wie möglich befriedigt.“ — Alſo liebſt Du mich, ſagte ich, und ewig, denn ſonſt bin ich ärmer wie je, ja ich muß verzweifeln.
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es brauſ'te um mich her, und wenn ich allein war dann
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leſen, ich war viel zu bewegt, da war's gleichſam als
erſtürzte der Strom meines Lebens über Fels und Ge-
klüft in tauſend Kaskaden herab, und es dauerte lang
ehe er ſich wieder zur Ruh ſammelte. — Da kam nun
einer, der trug einen Siegelring am Finger und ſagte,
den habe Goethe ihm geſchenkt. Das klagte ich ihm,
wie ich ihn zum erſtenmal ſah, wie ſehr mich das ge-
ſchmerzt habe, daß er einen Ring ſo leichtſinnig habe
verſchenken können, noch eh er mich gekannt. Goethe
lächelte zu dieſen ſeltſamen Liebesklagen nicht, er ſah
milde auf mich herab, die zutraulich an ſeinen Knieen
auf dem Schemel ſaß. Beim Weggehen ſteckte er mir
den Ring an den Finger und ſagte: „Wenn einer
ſagt, er habe einen Ring von mir, ſo ſage du: Goethe
erinnert ſich an keinen wie an dieſen.“ —
Nachher nahm er mich ſanft an ſein Herz, ich zählte
die Schläge. — „Ich hoffe du vergißt mich nicht,“ ſagte
er, „es wäre undankbar, ich habe ohne Bedingungen
alle deine Forderungen ſo viel wie möglich befriedigt.“
— Alſo liebſt Du mich, ſagte ich, und ewig, denn
ſonſt bin ich ärmer wie je, ja ich muß verzweifeln.
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/241>, abgerufen am 22.07.2024.
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