Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

wo die Lebensquellen von Geist und Sinne ineinander-
strömen, und so einander erhöhen, daß alles Bedeutung
gewinne, daß nicht allein das Erfahrne sichtbar fühlbar
werde, sondern auch das Unsichtbare, Ungehörte erkannt
und erhört werde.

Sind's Pauken und Posaunen, die feierlichen Ju-
belschlag an die Wolken dröhnen? -- sind's Harfen und
Zimbeln? -- ist's das Gewirr von tausend Instrumen-
ten, das auf's Comandowort sich ordnend lös't, in rei-
ner Linie Takt sich bildend wendet, die Sprache himm-
lischer Influenzen redet, eindringt in den Menschengeist
mit Farb' und Licht, die Sinne mit dem Geist ver-
mählt? -- ist's dieser Erzeugung Kraft, die durch die
Adern rinnt das Blut beschwörend, das irdische auszu-
stoßen und die reine Frucht himmlischer Liebe, himmli-
schen Lichtes zu nähren, zu gebären? -- hast Du's nicht
vollbracht in mir wenn es noch leuchtet in meiner Seele?
-- ja es leuchtet wenn ich Deiner gedenke; -- oder sind
es nur Schallmeien sinnig und wähnend, nur an Phan-
tasie streifend, nicht von ihrer Offenbarung ergriffen,
was ich diesen Blättern zu vertrauen habe? -- Was
es auch sei! -- bis in den Tod geleite mich der er-
sten Liebe Musik. Zu Deinen Füßen pflanze ich den
Grundbaß ein, er wachse Dir zum Palmenhain auf, in

wo die Lebensquellen von Geiſt und Sinne ineinander-
ſtrömen, und ſo einander erhöhen, daß alles Bedeutung
gewinne, daß nicht allein das Erfahrne ſichtbar fühlbar
werde, ſondern auch das Unſichtbare, Ungehörte erkannt
und erhört werde.

Sind's Pauken und Poſaunen, die feierlichen Ju-
belſchlag an die Wolken dröhnen? — ſind's Harfen und
Zimbeln? — iſt's das Gewirr von tauſend Inſtrumen-
ten, das auf's Comandowort ſich ordnend löſ't, in rei-
ner Linie Takt ſich bildend wendet, die Sprache himm-
liſcher Influenzen redet, eindringt in den Menſchengeiſt
mit Farb' und Licht, die Sinne mit dem Geiſt ver-
mählt? — iſt's dieſer Erzeugung Kraft, die durch die
Adern rinnt das Blut beſchwörend, das irdiſche auszu-
ſtoßen und die reine Frucht himmliſcher Liebe, himmli-
ſchen Lichtes zu nähren, zu gebären? — haſt Du's nicht
vollbracht in mir wenn es noch leuchtet in meiner Seele?
— ja es leuchtet wenn ich Deiner gedenke; — oder ſind
es nur Schallmeien ſinnig und wähnend, nur an Phan-
taſie ſtreifend, nicht von ihrer Offenbarung ergriffen,
was ich dieſen Blättern zu vertrauen habe? — Was
es auch ſei! — bis in den Tod geleite mich der er-
ſten Liebe Muſik. Zu Deinen Füßen pflanze ich den
Grundbaß ein, er wachſe Dir zum Palmenhain auf, in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0209" n="199"/>
wo die Lebensquellen von Gei&#x017F;t und Sinne ineinander-<lb/>
&#x017F;trömen, und &#x017F;o einander erhöhen, daß alles Bedeutung<lb/>
gewinne, daß nicht allein das Erfahrne &#x017F;ichtbar fühlbar<lb/>
werde, &#x017F;ondern auch das Un&#x017F;ichtbare, Ungehörte erkannt<lb/>
und erhört werde.</p><lb/>
          <p>Sind's Pauken und Po&#x017F;aunen, die feierlichen Ju-<lb/>
bel&#x017F;chlag an die Wolken dröhnen? &#x2014; &#x017F;ind's Harfen und<lb/>
Zimbeln? &#x2014; i&#x017F;t's das Gewirr von tau&#x017F;end In&#x017F;trumen-<lb/>
ten, das auf's Comandowort &#x017F;ich ordnend lö&#x017F;'t, in rei-<lb/>
ner Linie Takt &#x017F;ich bildend wendet, die Sprache himm-<lb/>
li&#x017F;cher Influenzen redet, eindringt in den Men&#x017F;chengei&#x017F;t<lb/>
mit Farb' und Licht, die Sinne mit dem Gei&#x017F;t ver-<lb/>
mählt? &#x2014; i&#x017F;t's die&#x017F;er Erzeugung Kraft, die durch die<lb/>
Adern rinnt das Blut be&#x017F;chwörend, das irdi&#x017F;che auszu-<lb/>
&#x017F;toßen und die reine Frucht himmli&#x017F;cher Liebe, himmli-<lb/>
&#x017F;chen Lichtes zu nähren, zu gebären? &#x2014; ha&#x017F;t Du's nicht<lb/>
vollbracht in mir wenn es noch leuchtet in meiner Seele?<lb/>
&#x2014; ja es leuchtet wenn ich Deiner gedenke; &#x2014; oder &#x017F;ind<lb/>
es nur Schallmeien &#x017F;innig und wähnend, nur an Phan-<lb/>
ta&#x017F;ie &#x017F;treifend, nicht von ihrer Offenbarung ergriffen,<lb/>
was ich die&#x017F;en Blättern zu vertrauen habe? &#x2014; Was<lb/>
es auch &#x017F;ei! &#x2014; bis in den Tod geleite mich der er-<lb/>
&#x017F;ten Liebe Mu&#x017F;ik. Zu Deinen Füßen pflanze ich den<lb/>
Grundbaß ein, er wach&#x017F;e Dir zum Palmenhain auf, in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0209] wo die Lebensquellen von Geiſt und Sinne ineinander- ſtrömen, und ſo einander erhöhen, daß alles Bedeutung gewinne, daß nicht allein das Erfahrne ſichtbar fühlbar werde, ſondern auch das Unſichtbare, Ungehörte erkannt und erhört werde. Sind's Pauken und Poſaunen, die feierlichen Ju- belſchlag an die Wolken dröhnen? — ſind's Harfen und Zimbeln? — iſt's das Gewirr von tauſend Inſtrumen- ten, das auf's Comandowort ſich ordnend löſ't, in rei- ner Linie Takt ſich bildend wendet, die Sprache himm- liſcher Influenzen redet, eindringt in den Menſchengeiſt mit Farb' und Licht, die Sinne mit dem Geiſt ver- mählt? — iſt's dieſer Erzeugung Kraft, die durch die Adern rinnt das Blut beſchwörend, das irdiſche auszu- ſtoßen und die reine Frucht himmliſcher Liebe, himmli- ſchen Lichtes zu nähren, zu gebären? — haſt Du's nicht vollbracht in mir wenn es noch leuchtet in meiner Seele? — ja es leuchtet wenn ich Deiner gedenke; — oder ſind es nur Schallmeien ſinnig und wähnend, nur an Phan- taſie ſtreifend, nicht von ihrer Offenbarung ergriffen, was ich dieſen Blättern zu vertrauen habe? — Was es auch ſei! — bis in den Tod geleite mich der er- ſten Liebe Muſik. Zu Deinen Füßen pflanze ich den Grundbaß ein, er wachſe Dir zum Palmenhain auf, in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/209
Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/209>, abgerufen am 12.12.2024.