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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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meinst Du das diese Liebe will? -- ich selber erstaune
oft, wie erwachend aus dem Traum, daß dieser Traum
herrsche über mich. Aber bald beuge ich mich wieder
unter das Schattendach seiner Wölbungen, und schmiege
mich seinem Flüstern, und lasse die Sinne bewältigen
durch das Flügelrauschen unbekannter Geister. -- Gött-
lich will ich sein! göttlich und groß wie Du, frei über den
Menschen nur in Deinem Lichte, stehend, nur von Dir
verstanden. Pfeile will ich senden: Gedanken, Dich sol-
len sie treffen und keinen andern, Du sollst ihre Schärfe
prüfen und in diesem heimlichen Verkehr sollen meine
Sinne gedeihen, sie sollen herzhaft sein, gesund, rasch,
freudig, ewig aufwärts nicht sinkend die Lebensgeister
ihrem Erzeuger zuströmend.

Es ist Nacht, ich schreib beim Sternenlicht. -- Weis-
heit ist wie ein Baum, der seine Äste durch das ganze
Firmament verbreitet, die goldnen Früchte, die ihr Ge-
zweig zieren sind Sterne. Wenn nun eine Begierde
sich regt, die die Früchte vom Baum der Weisheit ge-
nießen möchte? wie komme ich dazu diese goldnen Früchte
zu erlangen? -- Die Sterne sind Welten sagt man: ist
der Kuß nicht auch eine Welt? -- und ist der Stern
größer Deinem Auge als der Umfang eines Kusses? --
und ist der Kuß geringer Deinem Gefühl als das Um-

meinſt Du das dieſe Liebe will? — ich ſelber erſtaune
oft, wie erwachend aus dem Traum, daß dieſer Traum
herrſche über mich. Aber bald beuge ich mich wieder
unter das Schattendach ſeiner Wölbungen, und ſchmiege
mich ſeinem Flüſtern, und laſſe die Sinne bewältigen
durch das Flügelrauſchen unbekannter Geiſter. — Gött-
lich will ich ſein! göttlich und groß wie Du, frei über den
Menſchen nur in Deinem Lichte, ſtehend, nur von Dir
verſtanden. Pfeile will ich ſenden: Gedanken, Dich ſol-
len ſie treffen und keinen andern, Du ſollſt ihre Schärfe
prüfen und in dieſem heimlichen Verkehr ſollen meine
Sinne gedeihen, ſie ſollen herzhaft ſein, geſund, raſch,
freudig, ewig aufwärts nicht ſinkend die Lebensgeiſter
ihrem Erzeuger zuſtrömend.

Es iſt Nacht, ich ſchreib beim Sternenlicht. — Weis-
heit iſt wie ein Baum, der ſeine Äſte durch das ganze
Firmament verbreitet, die goldnen Früchte, die ihr Ge-
zweig zieren ſind Sterne. Wenn nun eine Begierde
ſich regt, die die Früchte vom Baum der Weisheit ge-
nießen möchte? wie komme ich dazu dieſe goldnen Früchte
zu erlangen? — Die Sterne ſind Welten ſagt man: iſt
der Kuß nicht auch eine Welt? — und iſt der Stern
größer Deinem Auge als der Umfang eines Kuſſes? —
und iſt der Kuß geringer Deinem Gefühl als das Um-

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[189/0199] meinſt Du das dieſe Liebe will? — ich ſelber erſtaune oft, wie erwachend aus dem Traum, daß dieſer Traum herrſche über mich. Aber bald beuge ich mich wieder unter das Schattendach ſeiner Wölbungen, und ſchmiege mich ſeinem Flüſtern, und laſſe die Sinne bewältigen durch das Flügelrauſchen unbekannter Geiſter. — Gött- lich will ich ſein! göttlich und groß wie Du, frei über den Menſchen nur in Deinem Lichte, ſtehend, nur von Dir verſtanden. Pfeile will ich ſenden: Gedanken, Dich ſol- len ſie treffen und keinen andern, Du ſollſt ihre Schärfe prüfen und in dieſem heimlichen Verkehr ſollen meine Sinne gedeihen, ſie ſollen herzhaft ſein, geſund, raſch, freudig, ewig aufwärts nicht ſinkend die Lebensgeiſter ihrem Erzeuger zuſtrömend. Es iſt Nacht, ich ſchreib beim Sternenlicht. — Weis- heit iſt wie ein Baum, der ſeine Äſte durch das ganze Firmament verbreitet, die goldnen Früchte, die ihr Ge- zweig zieren ſind Sterne. Wenn nun eine Begierde ſich regt, die die Früchte vom Baum der Weisheit ge- nießen möchte? wie komme ich dazu dieſe goldnen Früchte zu erlangen? — Die Sterne ſind Welten ſagt man: iſt der Kuß nicht auch eine Welt? — und iſt der Stern größer Deinem Auge als der Umfang eines Kuſſes? — und iſt der Kuß geringer Deinem Gefühl als das Um-

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/199>, abgerufen am 18.12.2024.