Die Sonne geht unter, ihr Purpurzelt breitet sich über Deinen Garten, ich sitze hier allein und übersehe die Wege, die Du durch diese Auen geleitet hast, alle sind verlassen, nirgend wandelt einer. -- so einsam ist's, so ganz bis in die Ferne, und so lange schon hab' ich. darauf gewartet alles soll schweigen, dann wollt' ich ich mich besinnen und mit Dir sprechen -- und jetzt fühl ich mich so verzagt in der allmächtigen Stille. -- Den Vogel im Busch hab' ich verscheucht, die Glockenblumen schlafen. Der Mond und der Abendstern winken ein- ander, wo soll ich mich hinwenden? der Baum in dessen Rinde Du manchen Namen eingeschnitten hast den hab ich verlassen und bin herab gegangen zur Hausthür und hab die Stirne auf das Schloß gelegt, das Deine Hand wie oft aufgedrückt, und hast mit Freu[n]den da gesessen und auch einsame Stunden verbracht. Du allein mit Deinem Genius hast's nicht gefühlt das schauervolle der Einsamkeit, glorreich triumphirend im Wettgefühl der Empfindung und Begeistrung gingen sie vorüber diese stillen Abende. O Goethe, was denkst Du von meiner Liebe? -- die so ewig an Dich heran braus't wie die Fluth an's Ufer, und möchte mit Dir sprechen und kann nichts sagen, als nur seufzen. Ja! sage doch: was
Die Sonne geht unter, ihr Purpurzelt breitet ſich über Deinen Garten, ich ſitze hier allein und überſehe die Wege, die Du durch dieſe Auen geleitet haſt, alle ſind verlaſſen, nirgend wandelt einer. — ſo einſam iſt's, ſo ganz bis in die Ferne, und ſo lange ſchon hab' ich. darauf gewartet alles ſoll ſchweigen, dann wollt' ich ich mich beſinnen und mit Dir ſprechen — und jetzt fühl ich mich ſo verzagt in der allmächtigen Stille. — Den Vogel im Buſch hab' ich verſcheucht, die Glockenblumen ſchlafen. Der Mond und der Abendſtern winken ein- ander, wo ſoll ich mich hinwenden? der Baum in deſſen Rinde Du manchen Namen eingeſchnitten haſt den hab ich verlaſſen und bin herab gegangen zur Hausthür und hab die Stirne auf das Schloß gelegt, das Deine Hand wie oft aufgedrückt, und haſt mit Freu[n]den da geſeſſen und auch einſame Stunden verbracht. Du allein mit Deinem Genius haſt's nicht gefühlt das ſchauervolle der Einſamkeit, glorreich triumphirend im Wettgefühl der Empfindung und Begeiſtrung gingen ſie vorüber dieſe ſtillen Abende. O Goethe, was denkſt Du von meiner Liebe? — die ſo ewig an Dich heran brauſ't wie die Fluth an's Ufer, und möchte mit Dir ſprechen und kann nichts ſagen, als nur ſeufzen. Ja! ſage doch: was
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Die Sonne geht unter, ihr Purpurzelt breitet ſich
über Deinen Garten, ich ſitze hier allein und überſehe
die Wege, die Du durch dieſe Auen geleitet haſt, alle
ſind verlaſſen, nirgend wandelt einer. — ſo einſam iſt's,
ſo ganz bis in die Ferne, und ſo lange ſchon hab' ich.
darauf gewartet alles ſoll ſchweigen, dann wollt' ich
ich mich beſinnen und mit Dir ſprechen — und jetzt fühl
ich mich ſo verzagt in der allmächtigen Stille. — Den
Vogel im Buſch hab' ich verſcheucht, die Glockenblumen
ſchlafen. Der Mond und der Abendſtern winken ein-
ander, wo ſoll ich mich hinwenden? der Baum in deſſen
Rinde Du manchen Namen eingeſchnitten haſt den hab
ich verlaſſen und bin herab gegangen zur Hausthür und
hab die Stirne auf das Schloß gelegt, das Deine Hand
wie oft aufgedrückt, und haſt mit Freunden da geſeſſen
und auch einſame Stunden verbracht. Du allein mit
Deinem Genius haſt's nicht gefühlt das ſchauervolle der
Einſamkeit, glorreich triumphirend im Wettgefühl der
Empfindung und Begeiſtrung gingen ſie vorüber dieſe
ſtillen Abende. O Goethe, was denkſt Du von meiner
Liebe? — die ſo ewig an Dich heran brauſ't wie die
Fluth an's Ufer, und möchte mit Dir ſprechen und kann
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/198>, abgerufen am 16.02.2025.
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