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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.

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die Hände! jetzt lassen sie sich nieder! -- so wieder-
holte das Volk mit heiligem Schauer alles was zwischen
Euch beiden vorging. Ach mit Recht, denn aus Euer beider
vereinten Liebe ging sein Glück hervor, das wissen sie alle,
und wie Ihr lange mit einander Rede führtet da harrte
die Menge schweigend, als ob der Seegen von Jahr-
hunderten auf es herabgerufen werde. Ich auch Goethe!
-- ich glaub dran, daß Euch beiden als Wesen höherer
Geschlechter Macht gegeben ist Segen für die Zukunft
zu versichern, denn in des Herzogs Brust ist die Milde
schon lange als Frucht gereift, das hast Du selbst ge-
sagt und Dein Geist strömt Licht aus, Licht der Weis-
heit, die Gnade ist und alles gedeihen macht.

Als Du weg warst da lies der Herzog mich rufen,
er fragte ob Du mich gesehen und begrüßt habest, das
mußte ich verneinen, denn Du hattest mich ja über-
sehen. Erinnerst Du Dich noch an jenen Geburtstag? --
am Abend wo ich hinter dem Pfeiler stand, Du suchtest
mich mit dem Blick, und fandst mich auch, ach wie
durchglühte das mein Herz, wie ich Dein Spähen be-
lauschte, da reichtest Du mir Dein Glas, daß ich draus
trinken sollte, und keiner merkte es in der Menge. --
Heute bin ich allein, viele Tage sind seit dem vergan-
gen, dort liegt Dein Haus, ich könnte zu Dir gehen

die Hände! jetzt laſſen ſie ſich nieder! — ſo wieder-
holte das Volk mit heiligem Schauer alles was zwiſchen
Euch beiden vorging. Ach mit Recht, denn aus Euer beider
vereinten Liebe ging ſein Glück hervor, das wiſſen ſie alle,
und wie Ihr lange mit einander Rede führtet da harrte
die Menge ſchweigend, als ob der Seegen von Jahr-
hunderten auf es herabgerufen werde. Ich auch Goethe!
— ich glaub dran, daß Euch beiden als Weſen höherer
Geſchlechter Macht gegeben iſt Segen für die Zukunft
zu verſichern, denn in des Herzogs Bruſt iſt die Milde
ſchon lange als Frucht gereift, das haſt Du ſelbſt ge-
ſagt und Dein Geiſt ſtrömt Licht aus, Licht der Weis-
heit, die Gnade iſt und alles gedeihen macht.

Als Du weg warſt da lies der Herzog mich rufen,
er fragte ob Du mich geſehen und begrüßt habeſt, das
mußte ich verneinen, denn Du hatteſt mich ja über-
ſehen. Erinnerſt Du Dich noch an jenen Geburtstag? —
am Abend wo ich hinter dem Pfeiler ſtand, Du ſuchteſt
mich mit dem Blick, und fandſt mich auch, ach wie
durchglühte das mein Herz, wie ich Dein Spähen be-
lauſchte, da reichteſt Du mir Dein Glas, daß ich draus
trinken ſollte, und keiner merkte es in der Menge. —
Heute bin ich allein, viele Tage ſind ſeit dem vergan-
gen, dort liegt Dein Haus, ich könnte zu Dir gehen

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[184/0194] die Hände! jetzt laſſen ſie ſich nieder! — ſo wieder- holte das Volk mit heiligem Schauer alles was zwiſchen Euch beiden vorging. Ach mit Recht, denn aus Euer beider vereinten Liebe ging ſein Glück hervor, das wiſſen ſie alle, und wie Ihr lange mit einander Rede führtet da harrte die Menge ſchweigend, als ob der Seegen von Jahr- hunderten auf es herabgerufen werde. Ich auch Goethe! — ich glaub dran, daß Euch beiden als Weſen höherer Geſchlechter Macht gegeben iſt Segen für die Zukunft zu verſichern, denn in des Herzogs Bruſt iſt die Milde ſchon lange als Frucht gereift, das haſt Du ſelbſt ge- ſagt und Dein Geiſt ſtrömt Licht aus, Licht der Weis- heit, die Gnade iſt und alles gedeihen macht. Als Du weg warſt da lies der Herzog mich rufen, er fragte ob Du mich geſehen und begrüßt habeſt, das mußte ich verneinen, denn Du hatteſt mich ja über- ſehen. Erinnerſt Du Dich noch an jenen Geburtstag? — am Abend wo ich hinter dem Pfeiler ſtand, Du ſuchteſt mich mit dem Blick, und fandſt mich auch, ach wie durchglühte das mein Herz, wie ich Dein Spähen be- lauſchte, da reichteſt Du mir Dein Glas, daß ich draus trinken ſollte, und keiner merkte es in der Menge. — Heute bin ich allein, viele Tage ſind ſeit dem vergan- gen, dort liegt Dein Haus, ich könnte zu Dir gehen

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Zitationshilfe: [Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/194>, abgerufen am 24.11.2024.