[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835.Liebe ist Erkenntniß, und der ist Besitz. Liegt der Saame in der Erde so bedarf er der Erde. Geheimniß ist Instinkt der Phantasie; wessen Geist Und hier wär' ein gewaltiges mitzutheilen, wenn Jeder Gedanke hat Flügel und fliegt zu dem, der Liebe iſt Erkenntniß, und der iſt Beſitz. Liegt der Saame in der Erde ſo bedarf er der Erde. Geheimniß iſt Inſtinkt der Phantaſie; weſſen Geiſt Und hier wär' ein gewaltiges mitzutheilen, wenn Jeder Gedanke hat Flügel und fliegt zu dem, der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0185" n="175"/> <p>Liebe iſt Erkenntniß, und der iſt Beſitz.</p><lb/> <p>Liegt der Saame in der Erde ſo bedarf er der Erde.<lb/> Nun er zum Leben angeregt iſt müßte er ſterben wenn<lb/> er ihr entnommen würde. In der Erde erſt wandelt<lb/> ſich der Saame um ins Leben, und die Erde wird erſt<lb/> Geiſt im Saamen. — Wenn Du liebſt dringſt Du ans<lb/> Licht wie der Saame, der in der Erde verborgen war. —<lb/> Warum verbirgt die Natur den Saamen im Schooß<lb/> der Erde eh ſie ſein Leben an's Licht entläßt? — Auch<lb/> das Leben liegt im geheimen Schooß des Geiſtes ver-<lb/> borgen, ehe es als Liebe an's Licht dringt. — Der Bo-<lb/> den aus dem die Liebe entſteigt iſt Geheimniß.</p><lb/> <p>Geheimniß iſt Inſtinkt der Phantaſie; weſſen Geiſt<lb/> dieſen Inſtinkt hat, der hat den befruchtenden Boden<lb/> für den Saamen der Liebe. — Phantaſie iſt die freie<lb/> Kunſt der Wahrheit.</p><lb/> <p>Und hier wär' ein gewaltiges mitzutheilen, wenn<lb/> die Müdigkeit mich nicht überwältigte; es muß mir ge-<lb/> nügen, daß ich's empfinde, wie die Phantaſie die Ver-<lb/> mittlerin iſt zwiſchen der himmliſchen Weisheit und dem<lb/> irdiſchen Geiſt.</p><lb/> <p>Jeder Gedanke hat Flügel und fliegt zu dem, der<lb/> ihn eingiebt; jeder Athemzug, ein Gedanke der zum Ge-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [175/0185]
Liebe iſt Erkenntniß, und der iſt Beſitz.
Liegt der Saame in der Erde ſo bedarf er der Erde.
Nun er zum Leben angeregt iſt müßte er ſterben wenn
er ihr entnommen würde. In der Erde erſt wandelt
ſich der Saame um ins Leben, und die Erde wird erſt
Geiſt im Saamen. — Wenn Du liebſt dringſt Du ans
Licht wie der Saame, der in der Erde verborgen war. —
Warum verbirgt die Natur den Saamen im Schooß
der Erde eh ſie ſein Leben an's Licht entläßt? — Auch
das Leben liegt im geheimen Schooß des Geiſtes ver-
borgen, ehe es als Liebe an's Licht dringt. — Der Bo-
den aus dem die Liebe entſteigt iſt Geheimniß.
Geheimniß iſt Inſtinkt der Phantaſie; weſſen Geiſt
dieſen Inſtinkt hat, der hat den befruchtenden Boden
für den Saamen der Liebe. — Phantaſie iſt die freie
Kunſt der Wahrheit.
Und hier wär' ein gewaltiges mitzutheilen, wenn
die Müdigkeit mich nicht überwältigte; es muß mir ge-
nügen, daß ich's empfinde, wie die Phantaſie die Ver-
mittlerin iſt zwiſchen der himmliſchen Weisheit und dem
irdiſchen Geiſt.
Jeder Gedanke hat Flügel und fliegt zu dem, der
ihn eingiebt; jeder Athemzug, ein Gedanke der zum Ge-
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